Fraktionszwang siegt

■ Staatsbürgerrecht: Keine Chance für Grünen-Vorstoß zur Stimmenfreigabe

Bonn (taz) – Die Grünen sind mit ihrem kurzfristigen Vorschlag gescheitert, mit einer fraktionsübergreifenden Initiative im Bundestag das Staatsangehörigkeitsrecht zu reformieren. Weder die Fraktionsspitze der Union noch die der FDP haben sich gegenüber den Grünen bereit erklärt, die Abstimmung freizugeben. Grünen- Fraktionssprecherin Kerstin Müller und der Abgeordnete Cem Özdemir hatten in einem Brief an alle Bundestagsabgeordneten appelliert, dem eigenen Gewissen mehr zu gehorchen als Fraktionsbeschlüssen.

Die von den Grünen eingeräumte knappe fünftägige Frist zur Unterstützung des Vorstoßes nutzte offenbar allein die PDS. Nur ihre Abgeordneten hatten bis gestern nachmittag signalisiert, daß sie die Grünen-Initiative auf der Grundlage des Entwurfs der Ausländerbeauftragten Schmalz- Jacobsen unterstützen würden. Keine Zustimmung kam dagegen von den Liberalen, deren Programm die Reform des Ausländerrechts vorsieht. FDP-Fraktionschef Hermann Otto Solms erklärte gegenüber seiner Kollegin Kerstin Müller zum Staatsangehörigkeitsrecht: „Das ist keine Gewissensfrage, sondern eine Koalitionsfrage.“

Die Sozialdemokraten hatten ursprünglich ebenfalls den Schmalz-Jacobsen-Entwurf in den Bundestag einbringen wollen, sich dann aber für einen abgeschwächten Antrag entschieden, um Abgeordneten aus dem Regierungslager eine Zustimmung zu erleichtern. Der SPD-Entwurf, der am Donnerstag im Plenum beraten wird, sieht vor, daß nur Angehörige der „dritten Ausländergeneration“ automatisch das Recht auf einen deutschen Paß erhalten. Der Schmalz-Jacobsen-Entwurf gewährt dieses Recht bereits Angehörigen der „zweiten Generation“. Ohne Stimmen aus dem Regierungslager aber haben beide Entwürfe keine Chance. Hans Monath