Der Weltenraum im Lampenschirm

■ ...und andere Naturwunder: Der Verein „Phänomenta“ (Ortsgruppe Bremerhaven) bringt sie auch Ihnen ins Haus

Unbarmherzig zieht das Schwarze Loch Materie an. Eben schlingert ein weiterer Partikel in den Sog, trudelt in den Gravitationstrichter, verschwindet auf Nimmerwiedersehen. So gnadenlos sind die Gesetze der Physik – selbst in Bremerhaven. Hier nämlich ist das Schwarze Loch zu Hause. Doch, doch – in Form eines umgekehrten Trichters, bzw. Lampenschirms. Und der Partikel hat die Form eines Groschens – meines Groschens. Das Schwarze Loch aber, am Ende des Trichters: Das ist die mächtige Spendenbüchse des „Phänomenta“-Vereins.

Das Loch, der Trichter und die Münze; sie befinden sich allesamt in einem Hobbykeller im Stadtteil Leherheide, wo sie seit kurzem praktisch den gesamten bekannten Kosmos repräsentieren. So einfach kann Physik sein – wenn man nur den örtlichen „Phänomenta“-Verein machen läßt. „Natur und Technik – erleben und begreifen“ lautet das Credo des Clubs; mit Hilfe von selbsterdachten und auch -geschreinerten „Stationen“ soll die Losung umgesetzt werden, zu Nutz und Frommen von „Menschen aller Bildung“. So referiert es Rolf Seidel, Vorsitzender des Vereins und – Physiklehrer. Wie so mancher im „Phänomenta“-Kreise.

Denn wie steht es wirklich um den MNU in unsrem Lande? Um den „mathematisch-naturwissenschaftlichen“, vulgo: Physik-Unterricht? „Das ist doch eher ein wirklungsloser, wenig anschaulicher Unterricht“, sagt Seidel gesenkten Blicks. Wie zum Beweis vollführt sein Kollege Kuhn, Pressewart der „Phänomenta“, das Experiment mit dem „Kartesischen Taucher“: „Das kennen Sie doch aus dem Physikunterricht...?“ Kopfschütteln, Achselzucken. Der Taucher sinkt, der Taucher steigt im Kolben, sobald ich von oben Druck ausübe: So geht das also. Und schon habe ich „die Grundlagen der Mechanik der Flüssigkeiten“ begriffen, bescheinigt Kuhn. „Sogar die Hydraulik in Ihrem Citroen funktioniert so!“

Denn so soll es sein: Am „Kartesischen Taucher“ und am „Potentialtrichter“ sollen die Menschen „das Prinzip hinter dem Spiel erkennen“, sagt Kuhn. Mehr noch: die „Mündigkeit der Bürger“ steht hier praktisch auf dem Spiel, ja: „die Fähigkeit, Welt zu verstehen und zu gestalten“ – so tönt wiederum der Kollege Professor Lutz Fiesser, der die „Phänomenta“-Filiale Flensburg unterhält. Dort hat die Idee tatsächlich schon ganz andere Dimensionen angenommen. Während die Bremerhavener, vor einem Jahr gegründet, derzeit mit zwölf Versuchsstationen umherziehen, von Schule zu Schule, nennen die Flensburger bereits ein ganzes Haus ihr eigen. „Das erste deutsche Science-Center“ lockt dort 30.000 Besucher im Jahr, die dreifache Menge ist angepeilt. 200 Experimente, auf 1800 frischsanierten Quadratmetern ausgebreitet – Zahlen, von denen die Bremerhavener Initiative träumt, allerdings unter Hochdruck.

Denn in Seidels Keller sollen die Wunderwerke ja nicht ewig eingelagert sein. Warum könnte nicht die Stadt, das Land die Mission befördern? In Flensburg war die öffentliche Hand doch auch recht hilfreich. Der alte Hof am Nordertor wurde umgebaut und ist jetzt – für drei Jahre immerhin – mietfrei zu bespielen. Nun versuchen auch Seidel, Kuhn & Co., ihr „Science Center“ als neue Bremerhavener Attraktion zu verkaufen. Schließlich sind ja auch Experimente zu den „regional bedeutsamen Themen Wasser, Wattenmeer und Nordsee“ geplant. Und mit dem Taucher ist ja schon mal es um ihr Projekt ein Anfang gemacht.

So kommen die Lehrer sehr ins Schwärmen, wenn sie über die Zukunft ihres Projekts reden. Allzu wissenschaftlich rational soll das Unternehmen ja auch gar nicht sein. Wenn das „Phänomenta“-Haus am Meer mal fertig ist, sollen die Wissensdurstigen ruhig „einfach mal reingucken und so'n bißchen vor sich hin sinnieren“, sagt Kuhn. Sollen die Wunder aus Natur und Technik vielleicht „einfach nur schön finden“. Und „auch an einen Punkt kommen, wo sie mal nichts lernen“ – oder auf den Trichter kommen. tw

Kontakt: 0471/ 423 40