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Piepmätze mit Autobahnanschluß

■ Wirtschaftsressort plante heimlich Straßen in der Hemelinger Marsch - ohne Senatsbeteiligung

Was dem einen seine Piepmätze ist dem anderen sein Starßenbelag. Während die FDP den Ausstieg aus der Ampel vorbereitet, weil aus dem Hause des Umweltsenators hinter dem Rücken aller anderen Ressorts ein schmaler Streifen der Hemelinger Marsch zum Vogelschutzgebiet angemeldet worden war, kommt jetzt die Rückseite der Platte zum Vorschein. Im Dezember vergangenen Jahres ist das Bremer Wirtschaftsressort mit einem ganz pikanten Projekt beim Bonner Bundesverkehrsministerium vorstellig geworden: Das Haus Jäger wollte gerne Bundesgeld für Erschließungsstraßen für Gewerbegebiete loseisen. Mit auf der Wunschliste: Die Anbindung der Hemelinger Marsch an die daran vorbeirauschende Autobahn A1. Das bestätigte gestern eine Sprecherin des Wirtschaftssenators. Im Klartext: Während nach dem Grünen-Veto vom Sommer 1993 gegen die Ausweisung der umstrittenen Fläche als Gewerbegebiet alle Welt davon ausging, daß das Thema bis zum Ende der Legislaturperiode auf Eis liegt, hat sich das Wirtschaftsressort darum nicht sonderlich geschert, gerade so, wie jetzt dem Grünen Fücks vorgeworfen wird. Heimlich, still und leise wurde im FDP-Wirtschaftsressort offensichtlich nicht nur weitergeplant, sondern mit den Planungen wurde auch noch Bonn befaßt.

„Wir haben uns nicht auf die Bagger verständigt.“ So redete Wirtschaftssenator Claus Jäger in einer seiner schwersten Stunden innerhalb der Ampel. Ende April 1993 hatte sich der Senat in einer Mammutsitzung nicht auf ein gemeinsames Konzept für die Hemelinger Marsch einigen können. SPD und FDP-SenatorInnen hatten für die Ausweisung als Gewerbegebiet gestimmt, die Grünen dagegen, und am Ende hatte Umweltsenator Fücks angekündigt, daß seine Partei in der Frage von ihrem Vetorecht Gebrauch machen würde. Damit lag das Objekt der liberalen Begierde bis zum Ende der Legislaturperiode auf Eis, was das Wirtschaftsressort allerdings nicht daran hinderte, in Bonn mit dem Baggerschlüssel zu wedeln.

Die Geschichte kam schon zum Beginn der „Piepmatz-Affäre heraus. Beamte aus dem Wirtschaftsressort seien bei einem Besuch beim Bundesverkehrsministerium aus allen Wolken gefallen, als sie von der Vogelschutz-Geschichte gehört hätten. Dort habe der Wirtschaftssenator Geld aus Bonn für Erschließungsstraßen loseisen wollen. Dabei sei es nur um Projekte wie die A 281 beim Güterverkehrszentrum gegangen, hat Wirtschaftssenator Claus Jäger am Dienstag im Senat erzählt. Kein Grund zur Aufregung.

Das will nun gar nicht mit dem zusammenpassen, was seine Pressesprecherin erklärt. Klar sei es da auch um die Erschließung der Hemelinger Marsch gegangen. Daß damit das Veto des Koalitionspartners Grüne zur Makulatur erklärt worden ist, das will sie aber gar nicht verstehen, und beschwört die Weitsicht ihres Hauses. „Der Bundesverkehrswegeplan ist ja eine ganz langfristige Angelegenheit. Der geht ja weit über das Ende der Legislaturperiode hinaus.“

Nachfragen ergaben: Die Angelegenheit wurde nie im Senat behandelt, im Koalitionsausschuß auch nicht, noch nichtmal am Rande.

Jochen Grabler

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