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Unchristliche Verhältnisse

■ Krise bei der evangelischen Publizistik / Weniger Kirchensteuern zwingen angeblich zu Entlassungen - dafür wird eine neue Journalistenschule aufgemacht

Die Welle der Kirchenaustritte rollt – im Januar, nach Einführung des Solidaritätszuschlags waren es rund doppelt so viele wie ein Jahr zuvor. Der drastische Rückgang ihrer Einnahmen geht der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) an die Substanz, jetzt regiert der Rotstift. Und mit dem sollen zuerst die Ausgaben für das Gemeinschaftswerk der evangelischen Publizistik (gep) zusammengestrichen werden. Sechs Prozent der für 1995 vorgesehenen Gelder soll die EKD einsparen.

Daraufhin wurde der evangelische Medientrust in Frankfurt am Main angewiesen, in den kommenden zwei Jahren insgesamt 1,4 Millionen Mark weniger auszugeben als im vergangenen Jahr. Als dort Ende 1994 Pläne der Geschäftsführung durchsickerten, daß ausgerechnet der kleinen, aber feinen medienkritischen Zeitschrift medium das Lebenslicht ausgeblasen werde, probten die MitarbeiterInnen auch anderer Publikationen den Aufstand.

Seitdem hängt der Haussegen bei den evangelischen Medienschaffenden mehr als nur schief. Mit einer fristlosen Entlassung strafte der geschäftsführende gep- Vorstand einen Redakteur ab, der angeblich interne Informationen an Dritte weitergegeben hat. Gestern dann bestätigte die Chefetage einen Vorstandsbeschluß, daß auch die Evangelische Information nicht weitergeführt wird. Eine „Eselei erster Ordnung“ nennt das ein Insider. Denn nur über diese Zeitschrift würden die KirchenmitarbeiterInnen mit Informationen „auch über die gute Arbeit“ des gep versorgt. Ohne sie werde es noch schwerer, auch andere Publikationen des gep gegen den Zugriff der Sparkommissare zu verteidigen. Billig gemachter Ersatz für die Evangelische Information soll ein Wochenspiegel der täglich verbreiteten epd-Meldungen werden.

Ohnehin soll mit einem Streichkonzert auch epd-Film, die nach Auffassung von Fachjournalisten wohl beste deutschsprachige Filmzeitschrift, „beglückt“ werden. Zum Jahreswechsel eliminiert wurde schon der Evangelische Hörfunkdienst, der Beiträge für private Rundfunkanstalten herstellt.

Daß vor dem Hintergrund der finanziellen Sorgen und Nöte der EKD, die das gep finanziert, auch „politische Süppchen gekocht“ würden, vermuten MitarbeiterInnen der evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Die „Hardliner in der Synode“, denen zum Beispiel das Engagement von Frauen an der Spitze evangelischer Institutionen schon immer ein Dorn im Auge gewesen sei, würden über Parteigänger versuchen, gezielt Einfluß auf Stellenausschreibungen und auf die Beschäftigung von Honorarkräften zu nehmen. So sollen beim Evangelischen Pressedienst (epd), dem Herzstück der evangelischen Publizistik, rund zwanzig Prozent der Honorare eingespart werden. Unter dem Damoklesschwert solcher Vorgaben, so ein freier Mitarbeiter, würden wohl die kritischen Honorarkräfte aus dem Geschäft gedrängt.

An anderer Stelle wird auch mehr Geld ausgegeben, und das nicht gerade wenig. So sind der geschäftsführende Vorstand des gep, die EKD-Gremien und die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland wild entschlossen, an ihren Plänen zur Eröffnung einer Journalistenschule in Berlin festzuhalten. Geschätzte Kosten: rund eine halbe Million – fast soviel, wie das gep in diesem Jahr sparen soll. Im gep stehen dafür offenbar nur ganze 15.000 Mark zur Verfügung, die vom Haushalt der bestehenden Medienakademie, die Journalistenweiterbildung betreibt, abgezweigt werden sollen. Die Meinung der meisten MitarbeiterInnen ist jedenfalls eindeutig: Niemand hier will oder braucht eine neue Journalistenschule – vor allem, wenn dafür woanders entlassen werden soll.

Nicht wenige der rund 120 MitarbeiterInnen der diversen gep- Projekte werfen dem geschäftsführenden Vorstand „schweres Mißmanagement“ vor. Daß etwa die Auflage von medium rapide gesunken ist, sei das Resultat von Fehlentscheidungen. So habe dem Blatt die vom Vorstand durchgesetzte Umstellung von der Monats- zur Vierteljahrespublikation schwer geschadet. medium hinkt seitdem den aktuellen Ereignissen hinterher – und viele AbonnentInnen wollen nicht mehr mithinken.

MitarbeiterInnen unter dem Dach des gep, die ihre Namen aus verständlichen Gründen nicht in der Zeitung lesen wollen, gehen mit ihrer Kritik noch einen Schritt weiter: Unter Geschäftsführer Weber feiere die „Vetternwirtschaft“ beim gep fröhliche Urständ. Und ein ausgeprägter „Gremientourismus“ sorge dafür, daß Gelder „nutzlos verbraten“ würden.

Um einer weiteren unchristlichen Eskalation der Verhältnisse beim gep vorzubeugen, wollen sich Geschäftsführung und Betriebsrat demnächst an einen Tisch setzen. Verhandlungsziel der BelegschaftsvertreterInnen ist es, die Projektschließungen und die damit verbundenen Entlassungen zu verhindern. Doch bei EKD und gep- Vorstand, sagen die Skeptiker, seien die Entscheidungen längst gefallen. gep-Direktor Norbert Janowski erklärte dagegen der taz am vergangenen Donnerstag, epd- Film und die Evangelische Information stünden nicht zur Disposition. Gestern dann verbreitete epd den Einstellungsbeschluß für letztere.

Von einem schwelenden Konflikt beim gep ist Janowski dennoch „nichts bekannt“, und Gelder seien „ganz bestimmt nicht aus dem Fenster geworfen“ worden. Auch die Journalistenschule, die im April beginnen soll, gehe nicht auf Kosten von anderen Abteilungen. Doch woher sonst soll das Geld kommen? Klaus-Peter Klingelschmitt

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