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Schweigen für Berlin-Brandenburg

■ Abgeordnetenhaus beschloß gestern nichtssagendes Papier zur Länderfusion

Hat die Große Koalition kein Interesse an der für 1999 vorgesehenen Vereinigung von Berlin und Brandenburg? Der Chef der SPD- Fraktion, Klaus Böger, schwieg gestern zunächst zum Thema, als er an der Reihe war, und protestierte, weil die Senatoren nicht im Saal saßen. Von dreizehn Regierungsmitgliedern waren nur vier anwesend – der Rest stand in der Wandelhalle herum – oder trank Kaffee im Casino.

Dann ergriff der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen das verwaiste Mikrofon, um für die Fusion mit Brandenburg zu werben. Daß ausgerechnet Diepgen bei dem Thema Eifer zeigte, mußte aber schon deshalb befremdlich wirken, weil seine Fraktion, die CDU, einen Termin für die Fusion erfolgreich zu verhindern wußte. Sie hat gegen den Willen des Koalitionspartners SPD durchsetzen können, daß gestern in einem Parlamentsbeschluß zur Fusion weder das Datum für eine Volksabstimmung noch für die Fusion selbst festgelegt wurden. Brav vermied Diepgen, nebenbei Landesvorsitzender der CDU, jede Kritik an seiner Fraktion.

Als sich die Regierungsbank langsam füllte, brach Böger sein Schweigen. Er versuchte, den Fraktionschef der CDU und Fusions-Verschieber Klaus Landowsky an einer empfindlichen Stelle zu treffen. Die Bankgesellschaft Berlin, in deren Vorstand Landowsky sitzt, rät in einem Gutachten Berlin und Brandenburg die „schnelle“ Fusion. Zusammen mit dem Umzug der Bundesregierung könnten in den kommenden zehn Jahren rund eine halbe Million neuer Arbeitsplätze entstehen, zitierte Böger aus der Studie. Landowsky behauptete kurz zuvor das Gegenteil: Nach der Fusion würden die Arbeitsplätze von „Zehntausenden Menschen“ – „wenn man die Familien dazurechnet“ – nicht mehr benötigt.

Böger bezichtigte seinen CDU- Kollegen indirekt als Schwindler. Wer behaupte, in Berlins Verwaltung würden ohne Ländervereinigung keine Stellen gekürzt, „der lügt“. Die SPD war sich mit den Oppositionsparteien Bündnis 90/ Die Grünen, PDS und FDP einig, daß ein gemeinsames Land international wettbewerbsfähig wäre, weil Berlin und Brandenburg nicht mehr gegeneinander, sondern miteinander arbeiten würden. Die vorliegenden Staatsverträge zur gemeinsamen Landesentwicklung zeigten jedenfalls keine Ergebnisse, sagte FDP-Fraktionschef Axel Kammholz.

Es war Kammholz' Verdienst, die tatsächlichen Gründe der Bedenkenträger aus der Union auf den Punkt zu bringen: „Wann schafft sich eine Regierung und ein Parlament schon selbst ab?“ Auch der FDP paßten die Wahlergebnisse weder im östlichen Teil der Stadt noch in Brandenburg. Das Zurückweichen vor den Aufgaben der Zukunft garantiere kein politisches Überleben, meinte der Politiker, dessen Partei im Herbst vermutlich an der Fünfprozenthürde scheitern wird. Dirk Wildt

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