Freispruch aufgehoben, Polizisten verurteilt

■ Berufungsverhandlung vor Landgericht: Geldstrafen für acht Polizisten wegen Körperverletzung im Amt im Juni 1990

Es passiert nicht oft, daß ein Staatsanwalt gegen einen Freispruch für Polizisten in Berufung geht, denen Körperverletzung im Amt nicht eindeutig nachgewiesen werden kann. Daß der Freispruch dann aufgehoben wird, hat leider auch Seltenheitswert.

Gestern endete vor dem Landgericht die Berufungsverhandlung gegen acht Polizisten, die im September 1993 (taz berichtete) vom Vorwurf der Mißhandlung einer Studentin freigesprochen worden waren, obwohl die damalige Richterin überzeugt war, daß in der Nacht des 17. Juni 1990 „irgendwas gewesen“ war. Für die Staatsanwältin, die Berufung einlegte, stand fest, daß die Studentin die Wahrheit gesagt hatte.

Dieser Meinung ist auch der Vorsitzende Richter der 9. Strafkammer, Helmut Schweckendieck. Er verurteilte gestern die acht Polizisten im Alter von 25 bis zu 32 Jahren zu Geldstrafen zwischen 2.400 und 3.200 Mark. Damit blieb er unter dem Antrag des Staatsanwaltes, der jeweils fünf Monate Freiheitsentzug auf zwei Jahre Bewährung gefordert hatte. Schweckendieck begründete die „milde Strafe“ damit, daß es sich um einen „minderschweren Fall“ handele, die Angeklagten relativ jung und nicht vorbestraft seien. Die Polizisten wiesen jegliche Schuld von sich und wollen Revision einlegen.

Zweifelsfrei steht fest, daß Claudia D. in der Nacht des 17. Juni 1990 mit ihrem unbeleuchteten Fahrrad in Kreuzberg unterwegs gewesen ist und von der Besatzung eines Polizeiwagens angehalten wurde. Von zwei Beamten sei die damals 20jährige mit „nicht ganz so lockerem Griff“, wie diese sich ausdrückten, zur Wanne geführt worden. Es sei nicht auszuschließen, daß sie sich das Hämatom am Schienbein beim Hochheben in den Wagen zugezogen habe. Der Versuch von Claudia D., sich zu setzen, sei von den Beamten vereitelt worden. Die in Panik und Hysterie geratene Frau sei statt dessen auf dem Gang zu Boden gedrückt worden. Außerdem sei sie von einigen der Angeklagten getreten worden, „wenn auch nicht besonders heftig“.

Die Zeugin sei in einer „bedrohlich und demütigend empfundenen Situation attackiert“ worden und habe die Tritte „subjektiv als härter“ empfunden. „Wenn acht bestiefelte Polizisten auf sie eingetreten hätten, wäre sie auf allen vieren rausgekrochen“, so der Richter. Das Gericht konnte zwar nicht feststellen, welche Beamten sich beteiligt haben. Aber alle hätten den Vorfall gesehen und wären verpflichtet gewesen, die Attacken der Kollegen zu unterbinden. Claudia D., die auch viereinhalb Jahre nach dem Vorfall nur stockend und unter Tränen davon erzählte, sei glaubwürdig und habe „im Kern die Wahrheit gesagt und keine Show abgezogen“.

1992 wurden von 17 Polizisten, Justizvollzugsbeamten und Gerichtsvollziehern, die wegen Körperverletzung im Amt vor Gericht standen, nur 2 verurteilt. 1993 gab es bei 30 Anklagen 4 Verurteilungen. Barbara Bollwahn