Durchs Dröhnland
: Detroit, Detroit

■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Das größte Manko des modernen Soul, wie er von Luther Vandross und anderen repräsentiert wird, ist die auf technische Spielereien abfahrende Instrumentierung. Daß man auch mit quietschenden Orgeln und Schweinefunk-Bässen Soul spielen kann, der nicht von vorgestern klingt, beweisen Cultured Pearls. Trotz schmalzender Geigen entwickelt das Berliner Quartett einen immer elegant, aber druckvoll blubbernden Tanzbodensound. Aber für einen satten Soul braucht es vor allem die entsprechende Stimme, und die hat Astrid North unzweifelhaft. Ob glockenhell oder kehlig, ob kieksen oder seufzen, North weiß, wieviel ihre Stimmbänder zu leisten imstande sind und vor allem wie sie sie einzusetzen hat.

Heute, 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36–39, Prenzlberg

Nach den hysterischen Quantensprüngen im Metal hat sich die Szene in den vergangenen drei Jahren wieder etwas beruhigt, aber immer noch tut sich im Dampfhammergewerbe vergleichsweise viel. Cemetary besitzen nicht nur einen der allertypischsten Namen im Geschäft, sondern haben sich von einer reinen, knüppelnden Death-Kapelle immer mehr Richtung Friedhof hin bewegt. Gothic Metal heißt das neueste Steckenpferd, und als Einflüsse werden nun keine Schwermetaller mehr, sondern eher Fields of the Nephilim und ähnliche Dark-Rocker reklamiert. Das entäußert sich bei unseren schwedischen Freunden dann sogar in Stücken, die leicht auch als Soundtrack zur Selbsterfahrung dienen können, so new- agig schwelgt es dahin. Meistens aber wird natürlich immer noch die Fettlanghaarabteilung bedient, aber Cemetary verzichten auf hektisches Gefichtel und haben statt dessen einen netten, zähflüssigen Metal entwickelt, den man schon fast Hardrock nennen könnte, so orientiert er sich an den Klassikern wie Black Sabbath – womit der Kreis wieder geschlossen wäre.

Mit Bolt Thrower und Brutality, morgen, 20 Uhr, Huxley's Neue Welt, Hasenheide 108–114, Neukölln

Die Firma Fendt stellt Wohnwagen, Traktoren und Erntefahrzeuge her, was Marktoberdorf zum „Detroit des Oberallgäus“ werden läßt. Diesen Qualitätsanspruch versucht auch das von dort stammende Trio Social Intention zu erfüllen und sucht sein Heil mal wieder in den Weiten Nordamerikas. Das klingt jetzt nach Provinz, und das soll es auch, denn die besten Entwürfe zum Ami-Rock hierzulande kamen immer schon aus extrem dünn besiedelten Gebieten. Bei Social Intention kann man so ziemlich alles entdecken, was man mag an Gitarrenrock, wenn man ihn denn mag – von Dinosaur Jr. über fIREHOSE bis natürlich Nirvana. Nun kann man von Abklatsch sprechen oder von eigenentwickeltem Stil, beides trifft zu. Immerhin bekennt sich das Trio zum Epigonentum, und in der Gewichtsklasse habe ich schon lange nichts Besseres mehr gehört. Außerdem bietet dieses Wochenende erst mal die letzten Gelegenheiten, die Insel heimzusuchen. Denn weil schon wieder der Putz von der Decke rieselt, muß wieder weiter renoviert werden. Die erneute Pause wird wohl bis Juni dauern.

Mit Stereo Total, morgen, 21 Uhr, auf der Insel, Alt-Treptow 6, Treptow

Von Marktoberdorf ins echte Detroit. Ende der Sechziger, als das Wörtchen Punk noch ausschließlich „Penner“ bedeutete, machten die Stooges und MC5 die Stadt auch musikalisch zur Motor City. Gitarrist Wayne Kramer durchlief nach der Auflösung der Band die üblich tragische Karriere von Drogen, Dealen, Knast, Entzug, Gelegenheitsjobs, aber ohne endgültig abzustürzen. Tatsächlich überlebte er es sogar, eine Zeitlang mit Johnny Thunders zusammenzuspielen. Kürzlich erst hat er ein neues, schnörkelloses Album aufgenommen. Ein gesundes, geläutertes, gereiftes Comeback.

Am 12.2. um 20.30 Uhr im marquee

Und gleich noch mal Detroit. Von dort sind zwei Drittel von Today Is The Day nach Nashville umgezogen, was sie allerdings nicht daran hinderte, als wieder vollständiges Trio einen sehr großstädtischen Lärm zu machen, der nicht mal im entferntesten was mit ihrem Wohnsitz zu tun hat. Der Vorteil, den das Trio am Leben in Nashville sieht, ist vor allem der, gar nicht in die Gefahr zu kommen, irgendeiner Szene zugerechnet zu werden. Und wenn selbst die eigenen Freunde meinen, man solle doch bitte nicht so laut spielen, schweißt das zusätzlich zusammen. So reihen sich Today Is The Day ohne Probleme in die konsequentesten Noise- Versuche der letzten Zeit (z.B. Unsane) ein und lassen die New Yorker Szene aussehen wie alte Herrschaften.

Mit Splitter am 13.2. um 21 Uhr im Huxley's Junior

So was Unbedarftes gab es schon lange nicht mehr. Da spielen vier Jungs aus Berlin einfach wie die frühen Toten Hosen etwa zu „Opel Gang“-Zeiten. Bei Frau Rauscher gibt es gemütliche Punkgitarren, Refrain- Chöre, Texte mit Reimzwang und einem Hauch Sozialkritik – es ist alles da. Sehr sympathisch, wenn auch hoffnungslos altmodisch.

Am 15.2., 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg, am 17.2., 21 Uhr, Tommy Weißbecker Haus, Wilhelmstraße 9, Kreuzberg, und am 24.2., 22 Uhr, Niagara, Gneisenaustraße 58, Kreuzberg

Wer mal entspannt das Tanzbein schwingen möchte, hat die beste Gelegenheit dazu bei Mondo Grosso. Das Projekt aus Tokio um den Saxophonisten Masato Nakamura spielt einen zwar schweißtreibenden, aber hocheleganten Club Jazz. Und wenn die Japaner was machen, dann machen sie es richtig, also integrieren Mondo Grosso über Soul-Hooklines bis zu rasanter Perkussion alles unter ihrem reibungslosen Rhythmusgeflecht. Die Maschine läuft auch dann noch wie geschmiert, wenn Nakamura zu seinen Soli ansetzt, die er dank der Zirkular-Atemtechnik endlos ausdehnen kann.

Am 16.2. im Bogaloo, Heinrich- Heine-Straße. Thomas Winkler