Die Bündnisgrünen wollen morgen auf ihrem Länderrat in Kassel dem grünen „Stiftungsunwesen“ ein Ende machen. Aus drei autonomen Vereinen, die oft unsinnige Parallelstrukturen aufgebaut haben, soll einer werden, der den Anforderungen der Partei eher gerecht wird. Von Jürgen Gottschlich

Gütesiegel nur für Gesamtkonzept

Jürgen Trittin, der neue Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, hat für die drei „Grünen-Stiftungen“ nichts übrig. „Mit denen kann man nicht viel anfangen. Selbst bei einer Reise nach Kurdistan waren die nicht in der Lage, Kontakte zu vermitteln. Und das ist ja nun wirklich ein originäres Interessengebiet grüner Politik.“

Wenn Grüne über ihre Stiftungen reden, schwingt häufig nur schlecht verhehlte Wut mit. „Die nützen uns gar nichts“, so der Tenor, von Ausnahmen natürlich abgesehen. Die Abneigung beruht aber auf Gegenseitigkeit. „Die haben sich um die Stiftungen doch jahrelang gar nicht gekümmert“, kontert Katrin Werlich vom Buntstift-Vorstand, „außer wenn einer ihrer Schatzmeister bei uns Kohle locker machen wollte. Die müssen den Sinn einer Stiftung völlig falsch verstanden haben.“

Das schwere Zerwürfnis zwischen Bündnis 90/Grünen und ihren Stiftungen soll morgen behoben werden, und zwar radikal. Der Länderrat der Bündnisgrünen, das höchste Parteigremium zwischen den Parteitagen, will am Wochenende in Kassel ein Konzept für eine neue Stiftung verabschieden: Aus den bislang drei autonomen grün- nahen Stiftungen soll eine gemeinsame Organisation werden, die eher dazu in der Lage ist, den Anforderungen, die die Partei stellt, gerecht zu werden. Stellen die Stiftungen sich quer, droht ihnen die Aberkennung des Gütesiegels „Grünen-Stiftung“ und damit die finanzielle Auszehrung. Wenn die grüne Bundestagsfraktion nicht im März im Haushaltsausschuß des Bundestages – wie die anderen Fraktionen für ihre Stiftungen auch – die entsprechenden Mittel beantragt, ist für die Heinrich- Böll-Stiftung, Buntstift e.V. und Frauen-Anstiftung e.V. über kurz oder lang der Ofen aus.

Seit November letzten Jahres wird deshalb unter Hochdruck daran gearbeitet, diesen Zusammenstoß zu verhindern. Seit die Bündnisgrünen im Oktober als drittstärkste Kraft in den Bundestag zurückkehrten, ist die Partei- und Fraktionsführung finster entschlossen, das grüne „Stiftungsunwesen“ zu beenden. Lange genug hatte man es schließlich mit Geduld und sanfter Überredungskunst versucht. Seit dem Beschluß einer Bundesdelegiertenkonferenz im Herbst 1992 waren die Stiftungen zu erkennbaren Reformschritten, so Bundesschatzmeister Henry Selzer, „weder willens noch in der Lage“.

Am Grundübel sind die Grünen – Bündnis 90 existierte zu der Zeit noch nicht – allerdings selbst schuld. Um dem damaligen Richtungsstreit in der Partei Genüge zu tun, hoben sie 1988 nicht eine, sondern drei Stiftungen aus der Taufe, die lediglich unter einer gemeinsamen Rechtskonstruktion zusammengefaßt wurden. Damals galt die Böll-Stiftung als Realo-Verein, Buntstift war was für die linken Basisdemokraten, und die Frauen bekamen ihre Frauen-Anstiftung als völlig eigenständige Veranstaltung. Statt zusammen, arbeiteten die Stiftungen nebeneinander her, eifrig darauf bedacht, den eigenen Besitzstand zu wahren und von den Grünen nicht belästigt zu werden. „Bei der Frauen-Anstiftung“, empört sich ein Vorstands-Mitglied, „gehört es geradezu zum guten Ton, sich von den Grünen zu distanzieren, und die Böll-Stiftung möchte mit den grünen Schmuddelkindern auch nicht in einem Atemzug genannt werden.“

Dabei sind Partei und Stiftungen im Kern gar nicht mehr so weit auseinander. Diejenigen Grünen, die sich intensiver mit der Arbeit der Stiftungen beschäftigt haben, wissen, daß dort nicht nur Unfug veranstaltet wurde. Und die Verantwortlichen in den Stiftungen geben zumindest teilweise zu, daß die drei Vereine oft unsinnige Parallelstrukturen aufgebaut haben, in der Auslandsarbeit kein schlüssiges Konzept vorweisen können und die Abgrenzung von den Grünen oft weit über das vom Bundesverfassungsgericht geforderte Gebot der Parteiferne hinausging. Vor allem ein sogenannter Frankfurter Kreis, in dem sich Vertreter aus allen drei Stiftungen zusammengeschlossen haben, um einen Reformprozeß von innen anzustoßen, bestätigt die Kritik aus der Partei. Sie fordern seit längerem eine „vereinheitlichte föderale Stiftungsstruktur, die zu einer sinnvollen Arbeitsteilung der regionalen, bundesweiten und internationalen Arbeitsbereiche führt“. Ende Oktober wurde vom Bundesvorstand der Partei dann formuliert, was von der neuen Stiftung erwartet wird. „Wir wollen“, sagt Verhandlungsführer Selzer, „daß die Stiftung künftig dazu in der Lage ist, aktuell und bundesweit wahrnehmbar Veranstaltungen zu wichtigen politischen Themen zu organisieren, auch mal mit interessanten, theoretisch fundierten Publikationen auffällt und im Ausland einheitlich auftritt.“

Unter dem Druck der Partei haben die Stiftungen Mitte November erst einmal beschlossen, grundsätzlich einer Zusammenlegung zuzustimmen. Bis Ende März sollte dann ein in den Einzelstiftungen jeweils abgestimmter Entwurf für ein Konzept zur Zusammenlegung vorliegen. „Mit der Fristverkürzung auf den grünen Länderrat haben die Grünen eine inhaltliche Bestandsaufnahme der geleisteten Arbeit und die Diskussion neuer Schwerpunkte fast unmöglich gemacht“, klagt Heidi Burmeister von der Frauen-Anstiftung. Statt dessen gehe es jetzt nur um Strukturen, Organisationsformen und Mittelvergabe.

Tatsächlich geht es vor allem ums Geld. Zur Zeit werden die Mittel, die dem Stiftungsverband Regenbogen – die juristische Dachorganisation der drei – zustehen, exakt durch drei geteilt, so daß jede Einzelstiftung autonom darüber verfügt. Im Moment sind das knapp neun Millionen Mark sogenannter Globalmittel plus Projektmitteln, die über die Haushalte des Entwicklungshilfeministeriums, des Auswärtigen Amtes, des Innen- und des Bildungsministeriums bereitgestellt werden und noch einmal knapp 20 Millionen ausmachen. Seit die Grünen drittstärkste Kraft im Bundestag sind, können sie für ihre Stiftung eine Verdoppelung der Globalmittel und, über einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren, auch eine Verdoppelung der Projektmittel erwarten. Die dann zu erwartenden 70 Millionen sind zwar nach wie vor nur gut zehn Prozent der rund 650 Millionen, die die Parteistiftungen insgesamt pro Jahr erhalten – für die immer klamme Alternativszene der Republik aber doch eine Menge Geld.

Dieses Geld wollen die Grünen aber nicht mehr in den bestehenden Stiftungsverband stecken, sondern nur noch abrufen, wenn die Stiftungen eine neue, einheitliche Struktur verabschiedet haben. „Sonst“, sagt Selzer, „sind die Haushaltsberatungen vorbei, und wir stehen wieder ohne Druckmittel da.“ Ein Argument, das Christoph Meertens, Verhandlungsführer der Böll-Stiftung, nicht überzeugt. „Das Druckmittel über den Haushalt hat die Grünen- Fraktion schließlich jedes Jahr. Statt jetzt nur die Finanzkeule zu schwingen, sollten wir lieber nach intelligenten Lösungen suchen. Um fundierte Entscheidungen über die zukünftige Organisation der Stiftung zu treffen und eine Reform tatsächlich auch umzusetzen“, so Meertens, „brauchen wir mindestens ein Jahr.“

Das wollen die Bündnisgrünen den Stiftungen auch zugestehen, allerdings erst nachdem die bisherige Mitgliederversammlung vom Dachverband Regenbogen, die aus jeweils fünf VertreterInnen der Einzelstiftungen besteht, sich selbst aufgelöst und der Satzung für eine neue Stiftung zugestimmt hat. Für eine Übergangszeit soll die Mitgliederversammlung der neuen Stiftung zusätzlich zu den bisherigen Vertretern der Einzelstiftungen mit sieben Personen aus der Partei und acht Unabhängigen, die allerdings der Bundesvorstand der Partei vorschlägt, besetzt werden. „Damit der Reformprozeß auch zügig durchgeführt wird“, sagt Selzer.

So viel Parteieinfluß wollen die Stiftungen jedoch auf keinen Fall hinnehmen. „Für die Reform braucht es eine Vertrauensbasis“, sagt Meertens, und schließlich müssen die Mitgliederversammlungen der Einzelstiftungen dem Reformprojekt ja auch zustimmen. Tun sie das nicht, ist das Modell gescheitert, und die Bündnisgrünen müssen 1996 wieder „die Finanzkeule“ schwingen.