■ Nachgefragt: Aydin Findiçi: „SPD hat kein Interesse an Ausländerintegration“
Aydin Findikçi ist Vorsitzender des „Türkischen Zentralverbandes“ in Bremen. Er ist nach vierjähriger Zugehörigkeit aus der SPD ausgetreten.
taz: Warum treten Sie ausgerechnet jetzt aus der SPD aus?
Aydin Findikçi: Weil wir in der SPD alles unternommen haben, zugunsten der ausländischen Bürger eine effektive Ausländerpolitik herbeizuführen. Aber wir haben immer festgestellt, daß die SPD daran überhaupt nicht interessiert ist. Insbesondere wenn es darum geht, die erste Ausländergeneration der Türken zu integrieren.
Es gibt doch in der SPD einen innerparteilichen Ausländerausschuß...
Nein, der wurde aufgelöst.
Warum?
Weil der Ausländerausschuß von den Ausländern nicht mitgetragen worden ist. Der war von der Parteiführung ernannt worden. Wir haben immer dafür plädiert, einen Ausländerausschuß wählen zu lassen. Das ist nicht geschehen.
Wen meinen Sie mit wir?
Wir sind 1990/91 etwa mit 28 Türken eingetreten. Davon ist heute keiner mehr in der SPD. Jetzt gibt es höchstens noch 14 bis 17 türkische SPD-Mitglieder.
Bundespolitisch hat sich die Bremer SPD in der Vergangenheit oft für Ausländerinteressen eingesetzt: Ausländerwahlrecht, doppelte Staatsbürgerschaft usw.
Es geht nicht darum, etwas zu fordern, sondern dieses umzusetzen. Ich kann das an einem konkreten Bremer Beispiel erklären: Hier in Bremen gibt es ein von der Politik ernanntes, aber nicht gewähltes Gremium, das die Interessen der ausländischen Bürger wahrnehmen soll.
Sie meinen den Dachverband der Ausländerkulturvereine (DAB)?
Ja. Wir haben uns für die Einführung eines von den Bremer Ausländern gewählten Ausländerbeirates eingesetzt. Aber die SPD ist nicht dafür, weil sie glaubt, der Ausländerbeirat könnte dann von Türken dominiert werden. Das ist absurd.
Was werfen Sie der Bremer SPD außerdem vor?
Die Ausländer haben nichts davon, wenn die Probleme in ihren ursprünglichen Heimatländern hier ausgetragen werden. Wenn ein externer Referent in Bremen einen Vortrag hält über irgendwelche Probleme in Portugal, Spanien oder der Türkei – davon haben wir als Immigranten nichts. Wir möchten viel lieber, daß die türkischen Rentner hier gut behandelt werden. Die haben noch immer keinen Treffpunkt.
Die Bremer SPD hat bundesweit vorbildlich muttersprachlichen Unterricht in den Schulen eingeführt. War das nicht in Ihrem Sinn?
Nicht unbedingt. Denn Türkisch-Unterricht dient nicht der Integration türkischer Kinder hier. Wir leben ja in Deutschland, Türkisch lernen wir auch außerhalb der Schule.
Aber der Türkisch-Unterricht ist doch ein zusätzliches Angebot.
Ja, aber dieses Angebot machen auch die türkischen Konsulats-Lehrer. Aber die werden in Bremen immer abgewiesen, weil sie angeblich nationalistischen Unterricht geben.
Finden Sie nach Ihrem SPD-Austritt jetzt eine neue politische Heimat in Bremen?
Es geht nicht darum, daß ich in eine andere Partei eintreten will, sondern, daß ich mit der SPD nicht mehr einverstanden bin. Aber ich denke, daß ich in anderen Parteien effektiver Ausländerpolitik mitgestalten kann.
Wo denn?
Bei den Grünen und der CDU. Die CDU ist sehr, sehr ehrlich, wenn es um Ausländerbelange geht...
Das heißt, die verspricht gar nicht erst, daß sie sich für Ausländerinteressen einsetzt?
Genau. Sie verspricht nicht, was sie nicht einhalten kann. Und wenn sie etwas verspricht, dann hält sie sich auch dran. Da haben wir in Bremen gute Erfahrungen mit der CDU gemacht.
Und bei den Grünen?
Die Grünen haben eine offene und gute Ausländerpolitik – nur Ausländerpolitik.
Aber eintreten wollen Sie nicht?
Nein, im Moment nicht.
Fragen: Dirk Asendorpf
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