Wirbel um das Dickmachergen

Amerikanische Forscher haben ein Gen entdeckt, das für die Fettleibigkeit verantwortlich sein soll / Skepsis und Warnungen vor „Genzirkus“  ■ Von Anja Dilk

Null-Diäten, Slimfast-Drinks, Wunderkuren, Obsttage – um zwickenden Pfunden und wabernden Polstern zu Leibe zu rücken, ist dem Wohlstandsbürger keine Mühe zu schwer. Wenn der Frühling die gnädig bedeckenden winterlichen Textilien überflüssig macht, haben Diäten Konjunktur. Da heißt es abnehmen, hungern, entsagen. Denn immerhin: 30 Prozent der Deutschen sind nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in Frankfurt übergewichtig. Doch kaum hat man sie runter, sind sie wieder drauf, die lästigen Pfunde. Stimmt vielleicht doch, was viele glauben möchten, ist alles nur Veranlagung, sind die Gene schuld?

Amerikanische Wissenschaftler an der Rockefeller Universität in New York wollen nun ein Gen entdeckt haben, das für die Fettleibigkeit verantwortlich sein soll. Die Ergebnisse ihrer Experimente wurden im Dezember in der Wissenschaftzeitschrift Nature veröffentlicht. Die Forscher haben bei Mäusen ein Gen isoliert, das das Körpergewicht steuern soll. Es ist dafür verantwortlich, daß von Fettzellen ein Stoff ins Blut abgegeben wird, der den Appetit steuert. Ist das Gen defekt, haben die Mäuse kein Sättigungsgefühl mehr und werden unkontrolliert dicker. Nach Überzeugung der Forscher ist dieses Gen auch beim Menschen nachweisbar. Die Folgerung: Bei normalgewichtigen Menschen sei das Gen in Ordnung, krankhaft Dicke dagegen hätten vermutlich meist ein defektes Gen. Theoretisch eröffnet das neue Perspektiven. So könnten Medikamente entwickelt werden, die an Stelle eines defekten Gens den Appetit regulieren. Wieder nur heißer Wind aus der Gentechnik?

„Das sind interessante Ergebnisse“, meint Peter Schauder von der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin in Göttingen, „Und Nature ist eine gute Zeitschrift. Aber erst einmal müssen die Ergebnisse von anderen Arbeitsgruppen bestätigt werden.“ Allerdings spräche sehr viel gegen die Vererbbarkeit von Fettleibigkeit. „Man muß aufpassen, daß der ganze Genzirkus nicht falsch verstanden wird“, betont Schauder, „und die Leute plötzlich sagen: ,Ich habe halt ein falsches Gen‘ und wie bisher weiteressen.“

Auch Arnold Gries, Professor am Diabetisforschungsinstitut der Uni Düsseldorf, ist skeptisch: „Es ist fraglich, ob sich die Ergebnisse von Mäusen tatsächlich auf den Menschen übertragen lassen.“ Schon das Fettgewebe von Mäusen sei ganz unterschiedlich. „Dennoch sind die Ergebnisse unglaublich wichtig für die medizinische Forschung der nächsten Zeit.“ Entscheidend bleibe nach wie vor ein gesundes, gemäßigtes Eßverhalten.