Junge Antisemiten

■ Der Landesausschuß der Jungen Union lehnt geplantes Holocaust-Mahnmal ab / CDU-Nachwuchs auf Rechtskurs

Die Junge Union (JU) spielt auf der antisemitischen Klaviatur. „Kein Juden-Denkmal am Potsdamer Platz“ – eine unter dieser Überschrift verbreitete Presseerklärung der CDU-Nachwuchsorganisation bringt die Mutterpartei in Bedrängnis. CDU-Generalsekretär Dieter Ernst ließ gestern verkünden, er verwahre sich gegen einen Beschluß des JU-Landesausschusses, mit dem die Errichtung eines Holocausts-Mahnmals für die vom Nationalsozialismus ermordeten Juden Europas in Mitte abgelehnt worden war. In einem mehrheitlich unterstützten Antrag hatte das höchste JU-Gremium zwischen den Landeskonferenzen den Senat kürzlich aufgefordert, seinen Beschluß für die Errichtung des Denkmals „unverzüglich“ aufzuheben. Es gebe bereits ausreichend Mahn- und Gedenkstätten.

Der JU-Landesvorsitzende Heiner Kausch versuchte gestern, das Papier herunterzuspielen. Die Überschrift sei nicht mit ihm abgesprochen worden. Vom Kern des Beschlusses distanzierte sich Kausch jedoch nicht. Nach Ansicht der JU sei der Potsdamer Platz nicht für das Holcaust-Denkmal geeignet. In Berlin gebe es mehrere Stellen, die an die Ermordung der europäischen Juden erinnerten. Kausch, der den Beschluß als Beitrag zu einer „unverkrampften Diskussion“ gewertet wissen will, schlug alternativ vor, die Mittel des Holocaust-Denkmals für den deutsch-israelischen Jugendaustausch zu verwenden.

Mit Empörung reagierten SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf den jüngsten Ausfall der CDU- Nachwuchsorganisation. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Klaus Böger forderte den Regierenden Bürgermeister und CDU–Landesvorsitzenden Eberhard Diepgen auf, in der JU einen klaren Trennungstrich gegen rechte Tendenzen zu ziehen. Für die Bündnisgrünen erklärte deren Fraktionssprecher Matthias Tang, die JU versuche, auf „zynische Art und Weise“ das Gedenken an die Verbrechen der Nazis gegen soziale Belange auszuspielen.

Der jüngste Beschluß ist nur die Spitze eines verschärften Rechtstrends in der Berliner JU. Neu ist an den jetzigen antisemitischen Tönen allenfalls, daß sie offenbar mehrheitsfähig geworden sind. Im Herbst vergangenen Jahres hatte das JU-Mitglied Adriano Winkler vor der Wahl des ersten jüdischen CDU-Vertreters Michel Friedman in den Bundesvorstand mit markigen Sprüchen Aufsehen erregt. Die CDU als deutsch-konservative Bewegung könne im Falle der Wahl Friedmans das Wort „christlich“ aus ihrem Parteinamen streichen. Daraufhin hatte der den Reformern nahestehende Kreisverband Wilmersdorf einen Ausschlußantrag gegen Winkler gestellt. Severin Weiland