Da waren die rechten Tories wütend

■ Streit innerhalb der britischen Regierungspartei / Schatzkanzler plädiert für die Währungsunion und gefährdet seinen Posten / Premier Major soll für Einheit sorgen

Dublin (taz) – Das war nicht die Rede, die sich John Major von seinem Schatzkanzler erhofft hatte: Im Gegensatz zum britischen Premierminister legte Kenneth Clarke in seiner Ansprache vor dem „European Movement“ am Donnerstag abend einen Enthusiasmus für die Europäische Währungsunion (EU) an den Tag, der beim rechten Parteiflügel wütende Rücktrittsforderungen auslöste.

Major hatte die Währungsunion in der vergangenen Woche kategorisch abgelehnt: Neben den Bedingungen, die dafür in den Maastrichter Verträgen vorgesehen seien, gebe es weitere Kriterien, die dagegen sprächen. Clarke sollte das vorgestern näher erläutern. Statt dessen sagte der Schatzkanzler, es sei „eine lächerliche Vorstellung“, daß die Währungsunion zum Verlust der Souveränität führen würde. Großbritannien müsse in der EU den gleichen Einfluß ausüben wie Frankreich oder Deutschland und dürfe sich nicht mit dem Beobachterstatus zufriedengeben. „Das ist die Rolle, die Island, Norwegen und Liechtenstein spielen“, sagte er, „aber sie entspricht weder der Geschichte des Vereinigten Königreiches noch unseren Ambitionen.“

Die Euro-Gegner bei den Tories, von denen 95 einen Gratulationsbrief an Major für seine „zunehmend skeptische Haltung in Hinblick auf die Währungsunion“ unterzeichnet haben, fielen gestern über Clarke her. David Evans, eine der wichtigsten Figuren im Hinterbänklerkomitee von 1922, bescheinigte Clarke, Unsinn zu reden. „Clarke ist völlig unrealistisch“, sagte Evans, „entweder er ändert seine Meinung, oder es heißt: auf Wiedersehen.“ Der Tory-Rechtsaußen Norman Tebbit warnte Major, daß er seinen Job riskiere, wenn er in seinem Kabinett nicht für Einigung in der Europafrage sorgen könne. „Es ist eine Situation wie damals, als Margaret Thatcher stürzte“, sagte Tebbit.

Die Labour Party versuchte, die Gunst der Stunde zu nutzen. Ihr finanzpolitischer Sprecher Gordon Brown sagte: „Herr Clarke bezeichnet die Einstellung der Euro- Gegner als dumm, simplistisch und lächerlich – dabei ist das genau die Einstellung seines Stellvertreters Jonathan Aitken.“ Der hatte am Sonntag gesagt: „Ich will keine Währungsunion, basta.“ Clarkes Berater wollten die Angelegenheit gestern herunterspielen: Der Schatzkanzler habe die Währungsunion diesmal nicht ausdrücklich als sein Hauptziel genannt. Und Clarke fügte hinzu, daß der Premierminister ihm bei der Ausarbeitung der Rede geholfen habe.

Major steht weiterer Ärger ins Haus, nachdem die Regierung am Donnerstag verkündet hat, daß die Gehälter für 35 hochrangige Regierungsbeamte um ein Viertel angehoben werden – auf umgerechnet 30.000 Mark im Monat. Andere Staatsangestellte sollen dagegen mit Erhöhungen abgespeist werden, die unter der Inflationsrate liegen. KrankenpflegerInnen, die nur ein Prozent mehr Geld bekommen, und LehrerInnen, die mit 2,7 Prozent zufrieden sein müssen, haben mit Streik gedroht. Bildungsministerin Gillian Shephard meinte, damit würden sich die Lehrkräfte ihren Ruf ruinieren. Ralf Sotscheck