: Über den Mißbrauch von Namen
■ In Dresden übermalte eine „Antideutsche Gruppe“ den Gedenkstein für die Bombenopfer von Dresden
Jüdische Namen sind in den Kreisen von Antifas und Autonomen sehr beliebt. Noch beliebter sind die Namen von jüdischen Widerstandskämpfern, die ihre Aktionen gegen die Nationalsozialisten mit dem Tod bezahlen mußten. Nennt sich eine Gruppe nach dem Berliner Studenten Herbert Baum oder nach dem litauischen Widerständskämpfer Aba Kovner, werden doch gleich die aktuellen antifaschistischen Aktiönchen historisch eingebettet und auf weltgeschichtliches Niveau gehievt. Noch pc-mäßiger ist, wenn sich Bewegte auf den Namen jüdischer Widerstandskämpferinnen (besser auch lesbisch) berufen. Jüngstes Beispiel für diese moderne Art von Relativierung und Gleichsetzung findet sich in Dresden.
Dort nennt sich eine Gruppe nach der jüdischen Partisanin Pola Ester, die im Warschauer Ghetto gegen die deutschen Besetzer und Mörder gekämpft hatte. Damit auch der Dümmste begreift, wer damals Pola Esters Feind war und damit auch noch heute der Feind von deutschen Antifaschistinnen ist, nennt sich das Trüppchen vermutlich belesener Autonomer (Autonominnen!), „Antideutsche Gruppe Pola Ester“. Zum erstenmal aktenkundig wurde diese Formation vorgestern. Passend zum kommenden 50. Jahrestag der Bombardierung von Dresden, am 13. Februar, packten sie Pinsel und rote Farbe in ihr Marschgepäck und zogen zum städtischen Heidefriedhof. Dort „korrigierten“ sie die auf dem Denkmal für die Bombenopfer zu lesende Aufschrift „Wie viele starben. Wer kennt die Zahl“. Die neue Botschaft: „Auschwitz, Majdanek, Treblinka ... Deutsche TäterInnen sind keine Opfer“. Aus dem Bekennerschreiben: 50 Jahre nach Auschwitz kämen der überwältigenden Mehrheit der Deutschen die diesjährigen Gedenkfeiern gerade recht, um sich als Opfer von Krieg und Gewaltverbrechen zu präsentieren, anstatt die Wahrheit zu sagen, daß sie zur „Population der TäterInnen gehören“.
In dem Flugblatt rechtfertigten sie ihren nächtlichen Einsatz. Die Einzigartigkeit der Shoa werde durch das Nebeneinanderhergedenken von Auschwitz und den Bombardements auf Dresden relativiert. „Wir gedenken in diesem Jahr der ermordeten JüdInnen, Sinti und Roma, ZwangsarbeiterInnen, Behinderten, Lesben und Schwulen“, schreibt die „Antideutsche Gruppe“. Ist es Absicht, daß die Gruppe ausgerechnet die Widerstandskämpfer und -kämpferinnen bei ihrer Aufzählung vergaß? Anita Kugler
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