Paragraph 218: Im Zweifel gegen die Union

■ Abtreibungsrecht im Bundestag: Mehrheit für Gesetzentwürfe von SPD, FDP und Grünen

Bonn (taz) – Schon im Vorfeld einer endgültigen Neuregelung des Abtreibungsrechts zeichnete sich gestern im Bundestag eine breite Mehrheit für die Gesetzesvorhaben von SPD, Bündnisgrünen und FDP ab. Zum zweitenmal innerhalb weniger Jahre beschäftigte sich das Parlament mit insgesamt sechs Gesetzentwürfen für eine neue Abtreibungsregelung. Nötig wurde dies, nachdem das Bundesverfassungsgericht 1993 die ein Jahr zuvor vom Bundestag verabschiedete Neuregelung des Paragraphen 218 in Teilen für verfassungswidrig erklärt hatte. Nun gilt es, nach richterlicher Direktive ein Gesetz zu schaffen, das Bedingungen festschreibt, unter denen Frauen in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft eine Abtreibung vornehmen lassen dürfen.

Daß sechs Gesetzentwürfe eingebracht wurden, zeugt davon, wie ideologisch die Auseinandersetzung geführt wird. Dabei geht es eigentlich nur darum, „endlich Schluß mit der Herabwürdigung und Demütigung von Frauen zu machen“, wie die SPD-Politikerin Heidemarie Wieczorek- Zeul gestern betonte. Ihre Fraktion legt daher Wert auf den Informationscharakter, den die vorgeschriebene Zwangsberatung einer Schwangeren haben soll. Bis auf die Regelung dieser Beratung unterscheidet sich der Entwurf der FDP kaum von dem der SozialdemokratInnen. Denn nach Meinung der Liberalen soll die Frau nicht nur beraten, sondern auch dazu ermutigt werden, ein Kind zu bekommen. Die Bündnisgrünen wollen hingegen mit Hilfe ihres Gesetzes eindeutig die Rechte von Frauen stärken. Laut ihrem Gesetzentwurf sollte eine Beratung vor allem der Sexualaufklärung und der Verhütung von ungewollten Schwangerschaften dienen. Mit einem Entschließungsantrag machten die Grünen deutlich, daß sie grundsätzlich für die Streichung des 218 sind. Dennoch brachten sie gestern ihren Gesetzentwurf ein, um – so ihre frauenpolitische Sprecherin Rita Grießhaber – „für jede mögliche Verbesserung für die Frau zu kämpfen“.

Alle drei Parteien sehen davon ab, das familiäre Umfeld einer Schwangeren zu bestrafen. Doch spätestens hier sehen die PolitikerInnen von CDU und CSU rot. Sie gehen davon aus, daß Partner oder Eltern eine Frau zum Schwangerschaftsabbruch nötigen könnten. Was schon im Nötigungsparagraphen des Strafgesetzbuchs geregelt sei, so argumentierte gestern auch Justizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger, brauche nicht auch noch im 218 verankert zu werden. Doch die Union sieht das anders. „Die Strafandrohung“, so begründete die CSU-Politikerin Maria Eichhorn, „dient der Bewußtseinsbildung.“ Auch bei der Beratung zielt der CDU/CSU-Entwurf in erster Linie darauf ab, den Embryo als „ungeborenes Leben“ zu schützen. Erst an zweiter Stelle steht das Selbstbestimmungsrecht der Frau.

Neben diesen vier Entwürfen durfte gestern natürlich auch nicht die Position einer Minderheit um den CDU-Mann Hubert Hüppe fehlen. Sie fordert das bedingungslose Verbot von Abtreibungen. Die PDS will mit einer Grundgesetzänderung für die ersatzlose Streichung des 218 sorgen. Beide Gesetzentwürfe sind im Bundestag nicht mehrheitsfähig. Nach gut vierstündiger Debatte wurden gestern alle sechs Gesetzentwürfe in einen gesonderten Unterausschuß verwiesen.

Karin Flothmann Seite 4