■ Die Grünen und die Pädofrage
: Wegsehen rächt sich

Niemand, fast niemand, hat es gewußt. Alle sind entsetzt. Ein langjähriges Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen, früher maßgeblich im Schwulenbereich aktiv und zeitweilig Delegierter im Landesausschuß, ist bereits mehrfach wegen sexuellen Mißbrauchs an Jungen im Grundschulalter verurteilt worden. Man hätte es wissen können, wenn man etwas genauer hingeschaut hätte. Bereits Mitte der achtziger Jahre war bekannt, daß Fred K. einer der Mitbegründer des „Falckensteinkellers“ in Kreuzberg war. Unter dem Deckmäntelchen von Freizeitangeboten hatten dort Pädophile an Kindern aus sozial schwachen Familien sexuelle Handlungen vorgenommen. Schon damals haben grüne Frauen aus Kreuzberg versucht, das Thema in die Partei zu tragen. Die Debatte hat die Gesamtpartei aber nie erreicht. Dabei empörten sich die Feministinnen schon Anfang der achtziger Jahre wegen einer pädophilen Broschüre des Schwulenbereichs. Der Konflikt holt die Partei nun ein. Der Ruf nach einem Parteiausschluß von Fred K. wirkt im Wahljahr populistisch, auch wenn er von Vertretern des Schwulenbereichs geäußert wird. Die herben Verluste der nordrhein-westfälischen Grünen, die im Wahlkampf 1989 mit Pro-Pädo-Positionen für Wirbel gesorgt hatten, dürften unvergessen sein.

Der Partei wird auch zum Verhängnis, daß in ihren inhaltlichen Arbeitsgruppen im Grunde jeder mitmischen kann. Zwar haben die paar Pädophilen im Schwulenbereich nie die Parteilinie bestimmt – am Schutzalter von 14 Jahren war nicht zu rütteln –, doch wurde ihre Position einer „einvernehmlichen Sexualität zwischen Erwachsenen und Kindern“ nie in Frage gestellt. Wie die gesamte Schwulenszene haben die schwulen Grünen in der Pädofrage eine partielle Blindheit gepflegt. Aus falsch verstandener Solidarität neigen die meisten Schwulen dazu, die oft schwerwiegenden Folgen für die Kinder zu verharmlosen. Mit dem Wegsehen muß Schluß sein.

Die wenigen, die Fred K. gut genug kannten, um zu wissen, wer er ist, müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, daß sie jahrelang einen Täter gedeckt haben. Mit einem Parteiausschluß ist es nicht getan. Dies bleibt eine hilflose Geste, wenn über Pädophilie nicht endlich ehrlich diskutiert wird. Dorothee Winden