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„...ein paar liebe Menschen getroffen“

■ Die „Kulturmessen Berlin“ sollen Kunstschaffende und Sponsoren einander näherbringen – in der KulturBrauerei herrschte interessierte Hilflosigkeit

Der Pas de deux ist ausgetanzt, die „Gedenktag“-Szene aus Kroetzens „Wir sind das Volk“ zu Ende gespielt. Tänzer und Schauspieler hasten zurück zur Komischen Oper und zum Berliner Ensemble, deren Vorstellungen in Kürze beginnen. Uwe Lehmann-Brauns, der kulturpolitische Sprecher der CDU, räuspert sich. Was will die „Kulturmesse Berlin-Mitte und Prenzlauer Berg“? „Eine Messe will Aufmerksamkeit und Vermittlung für das, was im Angebot ist.“

Angeboten wurden am Freitag abend in der KulturBrauerei etwa zwei Dutzend Maler, Graphiker und Bildhauer, sechs Schriftsteller und Vertreter verschiedener kultureller Institutionen. „Die Messe präsentiert dem Interessenten das Produkt als Muster“, sagte Lehmann-Brauns weiter, und so hatten die bildenden Künstler Skulpturen, Keramiken und Gemälde mitgebracht. Was erwarteten Sie von der Messe? „Gar nichts!“ antwortete Peter Leske vom Foto-Projekt „Pompeji 2000“ vergnügt. „Aber dafür braucht man ja auch keine Standmiete zu zahlen.“ Der Bildhauer Karl Biedermann wies stolz auf sein Modell eines Obelisken aus märkischem Feldstein: „Die Messe war für mich der Anreiz, diese Sache pünktlich fertigzustellen.“

Die von der CDU-Fraktion organisierte Kulturmesse ist – nach ähnlichen Veranstaltungen unter anderem in Zehlendorf und Charlottenburg – die fünfte und größte ihrer Art, die sechste ist für Hohenschönhausen geplant. Ziel dieser Messen sei es, erklärt Lehmann-Brauns, „Berührungsängste zwischen Wirtschaft und Kultur abzubauen, Gespräche und Verbindungen herzustellen“. Klaus- Rüdiger Landowsky war zusammen mit einigen Bankiers erschienen, ein Siemens-Geschäftsstellenleiter vertiefte sich inkognito ins Gespräch mit dem Schriftsteller Walter Petri. „Ich bin aber nicht für Siemens hier, sondern privat. Lehmann-Brauns hat mich hergelotst“, stellte er später klar.

Keinerlei Verbindungen, sondern nur disparate Monologe ergab das improvisierte Podiumsgespräch („Wer hat sich jetzt etwas überlegt, wer fängt an?“). Walter Petri beklagte die schlechten Zeiten für Lyrik, bis der Moderator ihm das Mikrofon wegnahm. Nicht besser erging es dem Schriftsteller Siegmar Faust, der über einen geplanten Kongreß von ehemals inhaftierten DDR-SchriftstellerInnen berichtete. Das letzte Wort bei diesem „Gespräch“ hatte dann Dr. Goldmann vom Museum für Vor- und Frühgeschichte: „Ich bin hundertprozentig überzeugt, daß der Schatz des Priamos nach Berlin zurückkommt!“

Später, im traulichen Licht der Heizstrahler, kamen dann aber doch noch Kontakte zustande. Der Journalist Henryk M. Broder schaute kurz herein und verabschiedete sich wieder: „Hier gibt's nichts zu essen.“ Die übrigen etwa zweihundert Besucher plauschten und sammelten Prospekte von Galerien, Staatstheatern und der Konrad-Adenauer-Stiftung ein. Ein argwöhnischer Freiraum blieb um den ORB-Moderator Jürgen Kuttner, der sich kürzlich zu seiner Tätigkeit als IM bekannte. „Ich habe kein Problem damit, mich in der Öffentlichkeit zu zeigen“, meinte der achselzuckend.

Die angenehme, klatschfreudige Atmosphäre und den völlig diffusen Charakter dieser Kulturmesse brachte schließlich der Schriftsteller Lutz Rathenow auf den Punkt: „Ich habe hier ein paar liebe Menschen wiedergetroffen und zwei, drei Leute kennengelernt, das ist doch schön. In Zeiten, in denen Ost und West sich gegenseitig meist langweilen, ist die interessierte Hilflosigkeit dieser Veranstaltung jedenfalls nicht das Schlechteste.“ Miriam Hoffmeyer

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