■ Die Bündnisgrünen fusionieren ihre Stiftungen
: Was heißt schon normal?

Bündnis 90/Die Grünen haben am Wochenende in Kassel eine der letzten Altlasten aus den achtziger Jahren entsorgt. Die damals zur Befriedung unterschiedlicher Parteiflügel gegründeten drei parteinahen Stiftungen werden jetzt innerhalb eines Jahres, dem Wandel der Partei entsprechend, zu einer gemeinsamen Stiftung fusioniert. Dabei haben die Bündnisgrünen gezeigt, daß dies auch der realen Situation der Partei entspricht. Ohne einen Hauch von Wehmut nach hochfliegenden Utopien der Vergangenheit wurde streng pragmatisch durchgestimmt.

So vernünftig das auch sein mag, es ging doch mehr darum, einen Zustand zu beenden, als über neue Möglichkeiten zu reden. Besonders kraß bekam diesen Stimmungsumschwung die Frauen-Anstiftung zu spüren. Ihre Forderungen richteten sich eher an eine politische Bewegung als an eine Partei, und entsprechend wurden sie als anachronistisch abgebügelt. Die Grünen werden jetzt also auch eine „normale“ Stiftung bekommen; was das allerdings wirklich heißt, wurde in Kassel nicht diskutiert. Sicher, die Stiftung soll parteiunabhängig sein, sie soll nicht, wie bei den anderen Parteien, zur indirekten Finanzierung und als Serviceabteilung der „Mutter“partei mißbraucht werden – aber was sonst?

Das bisherige grüne Stiftungsunwesen war ein Anachronismus und mußte geändert werden. So weit war sich die große Mehrheit einig. Wie aber sieht eine moderne, tatsächlich unabhängige und trotzdem parteinahe Stiftung der Zukunft aus? Was soll sie machen? Was sind die Inhalte politischer Bildungsarbeit im In- und Ausland, die sich nicht auf Kaderschulen beschränkt oder Steuergelder für Repräsentation ausgibt?

Die eigentliche Diskussion um eine sinnvolle Stiftung muß jetzt erst richtig anfangen. Dazu gehört es, die Arbeit der bisherigen drei Stiftungen in Ruhe zu überprüfen und sinnvolle Projekte nicht in Gefahr zu bringen. Dazu gehört aber vor allem die Debatte um das künftige Selbstverständnis der Stiftung. Von der Partei wurde immer betont, man wolle nicht lediglich eine Addition des bereits Vorhandenen. Wenn man jedoch mehr will als nur neue Organisationsformen, muß es eine breite Debatte geben, an deren Ende vielleicht ein konkreter gesellschaftlicher Auftrag für die Stiftung steht.

Unabhängig davon ist dann immer noch die Frage offen, ob die Parteistiftungen insgesamt einen Jahresetat von gut 650 Millionen Mark benötigen. Solange solche Summen in einer gesetzlichen Grauzone fließen, wird jede Parteistiftung erst einmal pauschal dem Verdacht ausgesetzt sein, eine bessere Geldwaschanlage für die Partei selbst darzustellen. Jürgen Gottschlich