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■ Neue „Enthüllungen“ in Sachen Bahr/KGBVom harten Agentenleben

Die Ostpolitik der sozialdemokratischen Bundesregierungen und die „zweite Ostpolitik“, die die SPD in der 80er Jahren betrieben hat, sind Geschichte von der Art, „die nicht vergehen will“. Historisch steht fest, daß der politische Prozeß, der vom Berlin-Abkommen über den Grundlagenvertrag nach Helsinki führte, es der Sowjetunion Gorbatschows erst ermöglichte, die revolutionäre Wende in ihrer Außenpolitik einzuleiten. Aber die historischen Verdienste ihrer großen, identitätsstiftenden Gestalten haben die SPD bis heute dazu verführt, geradezu neurotisch jede noch so solidarische Kritik an der Entspannungspolitik der 60er bis 80er Jahre abzuwehren.

Was damals (und heute) in Frage stand und steht, war ein Konzept von Stabilität, das alles von den angeblich reformorientierten realsozialistischen Eliten in Osteuropa erwartete, aber wenig bis nichts nichts von den demokratischen Oppositionsgruppen, die nur als Störfaktor empfunden wurden. Geplant war, daß die Stabilisierung der osteuropäischen Regime deren Liberalisierung nach sich ziehen würde. Erreicht wurde weder das eine noch das andere. Es waren die Völker, die sich, für die SPD ziemlich überraschend, selbst befreiten.

Dieser Mangel an offener, kritischer Reflexion seitens der SPD ruft seit geraumer Zeit eine ganze Rotte von Schlangengeistern auf den Plan. Disparate Sachverhalte werden vermischt, klare Positionen (wie die eindeutige Westorientierung der sozialliberalen Regierungen) geleugnet. Dies mit dem Ziel, die damaligen sozialdemokratischen Protagonisten als Helfershelfer der östlichen „totalitären“ Systeme, wenn nicht sogar als in deren Diensten stehend (Focus: „der V-Mann Bahr“) anzuprangern. Der jüngste gegen Egon Bahr erhobene Vorwurf, er habe über die Jahre hinweg konspirativen Umgang mit KGB-Gewaltigen gehabt, entstammt diesen trüben Quellen.

Bahr bestreitet derartige Kontakte gar nicht, und er tut gut daran. Als Berater, später als Unterhändler war er geradezu verpflichtet, die unterschiedlichen Positionen innerhalb des sowjetischen Herrschaftsapparates auszuloten und in den Dienst seiner Verhandlungsstrategie zu stellen. Dabei ist es gänzlich uninteressant, ob Bahr wußte, welche genaue Stellung sein jeweiliges Gegenüber im sowjetischen Partei-Staat einnahm. Es reichte, wenn er sich von der – schon damals gesicherten – Annahme leiten ließ, daß die Seilschaft des Außenpolitikers Gromyko andere, nämlich härtere Auffassungen in der Deutschland- und Westpolitik vertrat als die Leute von Andropows KGB. Daß das State Department Bahr mißtraute, hing keineswegs damit zusammen, daß er den Sowjets angeblich US-amerikanische Verhandlungspositionen steckte. Vielmehr ging es darum, daß die westliche Supermacht die Kontrolle über jedes Detail des globalen Entspannungsprozesses beanspruchte.

Auf einem anderen Blatt steht und der kritischen Überprüfung wert ist die Enthüllung, wonach Bahr sich gegenüber Hermann Axen, Mitglied des Politbüros der SED, abfällig über prominente Parteifreunde geäußert haben soll. In der Sozialdemokratie, die Solidarität stets als Grundwert gefeiert hat, war man selten solidarisch, wenn es um Konkurrenten oder Gegner im eigenen Lager ging. Bei aller Abgrenzung „im Streit der Ideologien“ fühlte man auch eine Art Seelenverwandtschaft mit den geplagten Bürokraten der SED, vor allem wenn es um blockübergreifende Friedensbewegte und anderes linkes Gelichter ging. Daß Bahr ausgerechnet solide Rechte wie Dohnanyi, Börner und Rau mit seinen Injurien bedacht hat, ist der einzige Umstand, der uns am Wahrheitsgehalt dieser Geschichte zweifeln läßt. Christian Semler

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