Inguschetiens Präsident als Vermittler?

■ Tschetschenen unterbreiten neues Verhandlungsangebot / Sie wollen auf jeder möglichen Ebene verhandeln / Angaben über Zahl der Kriegstoten uneinheitlich / Rußlands Armee greift 15 Gemeinden an

Schali (AFP/AP) – Die tschetschenische Führung ist nach Angaben ihres Kommandeurs Aslan Maschadow zu Verhandlungen über eine Waffenruhe bereit. Maschadow teilte gestern mit, die Tschetschenen akzeptierten einen entsprechenden Vorschlag des inguschetischen Vize-Präsidenten Boris Agapow. Die Verhandlungen könnten auf jeder möglichen Ebene stattfinden und sollten eine mögliche Waffenruhe sowie den Austausch von Gefangenen zum Inhalt haben.

Der Verhandlungsvorschlag sieht nach Maschadows Angaben vor, daß sich russische und tschetschenische Einheiten bis Montag 6.00 Uhr einen Kilometer von den Frontlinien zurückziehen und dann Verhandlungen aufnehmen. Ein Berater des inguschetischen Präsidenten Russlan Auschew sagte, er habe über den Vorschlag bereits mit einem hochrangigen russischen General gesprochen. Jetzt liege alles bei den Russen. Auschew hatte bereits mehrfach versucht, im Tschetschenien-Krieg zu vermitteln. Aus Moskau gab es zunächst keine Reaktion auf den Verhandlungsvorschlag.

Nach der fast vollständigen Einnahme von Grosny durch russische Truppen sind erneut Zehntausende Zivilisten in Richtung Süden geflohen. Allein in Goiti wurden mehr als 50.000 Menschen gezählt. Am Wochenende wurde außerdem weitere Zahlen über die Opfer des Krieges bekannt. So sagte der Sprecher des tschetschenischen Präsidenten Dudajew, allein in Grosny seien 40.000 Zivilisten getötet worden. Auf russischer Seite habe es zwischen 12.000 und 20.000 Tote, unter den tschetschenischen Kämpfern etwa 800 Tote gegeben. Der russische Abgeordnete Juri Rybakow hatte dagegen in der letzten Woche gesagt, 25.000 Zivilisten und 5.000 russische Soldaten seien bei den Kämpfen getötet worden. Der Kreml spricht von rund tausend toten Soldaten der russischen Armee, 6.000 Tote seien auf der gegnerischen Seite gezählt worden.

Nach Aussagen von Pathologen sind allein im Leichenschauhaus von Rostow am Don seit Beginn der Kämpfe am 11. Dezember über 1.000 Tote angekommen. Auch in Mosdok und Wladikawkas sei man damit beschäftigt, eingelieferte Leichen aus Tschetschenien zu identifizieren. Die Nichtidentifizierten tauchen nicht in den amtlichen Verlustlisten auf.

Am Sonntag griffen russische Truppen etwa 15 weitere tschetschenische Orte an, darunter das 40 Kilometer östlich von Grosny liegende Gudermes sowie das 15 Kilometer südlich der Hauptstadt gelegene Argun. Beide Städte gelten nach der Einnahme Grosnys als neue Hochburgen der Soldaten Dudajews.