Kein Scherz: U-Boot war Nerz

■ Schwedische Marine verwechselte die Paddelgeräusche der ausgebüchsten Pelztiere mit dem Propellerlärm von U-Booten

Stockholm (taz) – Seit Freitag nachmittag gilt Schwedens Marine als absolute Lachnummer. Und eine große Schar der ihr blind vertrauenden PolitikerInnengilde dazu. Denn wie die Seestreitkräfte jetzt einräumen mußten, waren die regelmäßigen Jagden auf fremde U-Boote in den achtziger Jahren ein Schlag ins Wasser: Statt der sowjetischen U-Boot-Flotte verfolgten die Schweden-Horcher 30 bis 40 Zentimeter große possierliche Nerze, die aus irgendwelchen einheimischen Farmen entwischt waren.

Die Pelztiere verursachen nämlich beim Schwimmen das typische Propellergeräusch, das der fröstelnden Öffentlichkeit jahrelang als „absolut sicherer“ Beweis der Bedrohung aus dem Osten vorgespielt worden war.

Rund eine Milliarde Mark ist in den letzten fünfzehn Jahren für die Phantomjagd ausgegeben worden. Die vermeintliche Bedrohung aus dem Osten verhalf dem schwedischen Militär zu High-Tech, für die sich ohne die geheimnisvollen Geräusche wohl kaum keine Parlamentsmehrheit gefunden hätte.

Eine ganze PolitikerInnengeneration baute ihre innere und auswärtige Politik auf dem Nerzgepaddel auf: An ihrer Spitze der bis zum Herbst letzten Jahres amtierende Ministerpräsident Carl Bildt. Mister U-Bootjagd persönlich ließ kein von der Marine rapportiertes Unterwasserrauschen aus, ohne medienwirksam zum Ort der vermeintlichen Schandtat zu helikoptern, und von dort finstere Worte gen Osten auszustoßen. Zuletzt im Mai 1994 schrieb er einen bösen Brief an Präsident Jelzin, in dem er Rußland vorwarf, in „exsowjetischen Strukturen zu verharren“. Worauf dieser außerordentlich sauer reagierte und Bildt „Naivität“ vorwarf. Zu Recht.

Für alle, die sich schon lange über die seltsamen U-Boot- Alarme wunderten, sind die Gesetze der Logik wieder hergestellt: Rußland scheint keine aktuellen Invasionspläne zu haben. Daß die kostspielige Pelztierjagd nicht weitere Jahrzehnte fortgesetzt wird, hat Schweden einem Zufall zu verdanken. Im Sommer 1994, als die hochmodernen submarinen Ohren mal wieder „Propellergeräusch“ meldeten, war gerade ein Marineboot vor Ort. Mehr als einen gemütlich vorbeischwimmenden Nerz konnte die Besatzung nicht entdecken.

Die Zufallssichtung wurde von einem Matrosen, der nunmehr eigentlich den höchsten Verdienstorden erhalten müßte, weitergemeldet. Ein tierlieber Offizier investierte daraufhin siebzig Mark in den Kauf eines Nerzes, dessen Schwimmgeräusche er sich anhörte: Absolut identisch mit allem, was Schwedens Marine in den letzten Jahren auf Tonband aufgenommen hatte.

Nun steht Schwedens Marine, der politischen Klasse und der Stockholmer Presse ein peinlicher Unterwasserrückzug bevor. Stets hatten sie zielgerichtet jede „natürliche“ Erklärung verworfen. Von all dem, was das Militär all die Jahre als „wasserdicht“, „absolut sicher“, „technisch perfekt nachgewiesen“, also als fremde U-Boote verkaufte, bleibt unter dem Strich nur ein einziger wirklicher Beweis: Das sowjetische U 137 der Whiskey-Baureihe, das 1981 vor der schwedischen Küste auf Grund lief. Tagelang hatte es dort als „Whiskey on the rocks“ festgesessen. Es war allerdings, wie zwischenzeitlich aus Sowjetarchiven veröffentlichte Dokumente beweisen, nicht beim Spionieren verunglückt, sondern wegen Fehlnavigation der Besatzung auf den Schärengrund gesetzt worden.

Die von interessierter Seite kräftig geschürte Russenfurcht ist nun passé, und eine Kommission, die die Nerzaffaire „restlos aufklären“ soll, bereits eingesetzt. Die schwedische Marine aber wird in der nächsten Zeit ohne neues technisches Spielzeug auskommen und ein neues Kriegsszenario üben müssen: Kampf gegen den besten „Swimming gag“ des Jahrzehnts. Reinhard Wolff