Neue Friedenschance für Afghanistan?

■ Präsident Rabbani stimmt Rücktritt zugunsten eines Allparteienrats zu / Milizen offenbar zum Waffenstillstand bereit / Taliban geben Versorgungsroute frei

Islamabad/Berlin (AFP/AP/ taz) – Im seit 17 Jahren in Afghanistan wütenden Krieg sind die Weichen neu gestellt: Präsident Burhanuddin Rabbani willigte am Wochenende ein, zugunsten eines von den Vereinten Nationen (UN) vorgeschlagenen Allparteienrats zurückzutreten. Die UN teilten unterdessen am Samstag in Islamabad mit, daß nach wochenlangen Verhandlungen zehn Milizen ihr Einverständnis gegeben hätten, zeitgleich mit dem ersten Treffen des neuen Führungsgremiums am 20. Februar einen Waffenstillstand in Kraft treten zu lassen.

Der Rat soll den UN-Plänen zufolge aus Vertretern der wichtigsten Kampfgruppierungen aus der Zeit des Kriegs gegen die damalige sowjetische Armee sowie aus „neutralen“ Persönlichkeiten bestehen. Nach Vorstellung der UN soll in Kabul innerhalb von sechs Monaten für Sicherheit gesorgt werden, die Milizen sollen entwaffnet und schwere Waffen aus der Umgebung der Hauptstadt entfernt werden. Uneinigkeit herrscht noch über die Bildung einer endgültigen Regierung nach dieser Übergangsphase.

Da die UN nicht planen, Friedenstruppen in das Land zu schicken, schätzen Experten die Chancen der Übereinkunft allerdings nicht sehr hoch ein. Der Repräsentant der Rabbani-Miliz in Pakistan, Masud Khalili, forderte eine Garantie, daß alle Kampfverbände sich an die Vereinbarung halten. Die größte Miliz Hisb-i-Islami von Gulbuddin Hekmatjar setzte den Beschuß Kabuls fort, obwohl sie dem von den UN entwickelten Friedensplan zugestimmt hat. Die islamistische Taliban-Bewegung, die im November zum ersten Mal militärisch in Erscheinung getreten ist und sich seitdem zur schlagkräftigsten Miliz entwickelte, hat zwar Interesse am Friedensplan bekundet, bislang jedoch noch nicht formell zugestimmt.

Am vergangenen Samstag hatten die Taliban, die sich mehrheitlich aus Studenten der Koranschulen zusammensetzen, den Großteil der Provinz Logar südlich der Hauptstadt Kabul erobert. Damit kontrollieren sie neun von dreißig Provinzen. Nach der Eroberung des strategisch wichtigen Ortes Maidan Schahr an der Straße nach Kabul gaben die von Muhammad Umar angeführten Taliban die wichtige Versorgungsroute nach Kabul frei, wo erstmals seit drei Jahren ein größerer Versorgungskonvoi aus dem Süden eintraf. Ein Sprecher der auf 25.000 Mann geschätzten Truppe sagte, seine Kämpfer wollten in Kürze entscheiden, ob sie nun auf das von Präsident Burhanuddin Rabbani gehaltene Kabul vorrücken oder zunächst auf das Hauptquartier ihrer Gegner von den Mudschaheddin. kim