Krieg ist nicht nur Vergangenheit

■ Zum Auftakt der Dresden-Gedenkfeiern erinnern Demonstranten an das zerstörte Grosny

Dresden (taz) – „Der Gedanke der Versöhnung soll über diesen Februartagen stehen“, verkündet Dresdens Oberbürgermeister Herbert Wagner (CDU) der Weltöffentlichkeit: Vor genau 50 Jahren, am Abend des 13. Februar 1945, begann die Zerstörung der sächsischen Hauptstadt durch britische und US-amerikanische Bomber. Heute abend um 21.45 Uhr, also genau zum Zeitpunkt des ersten Angriffs, werden DresdnerInnen mit Gästen aus ganz Europa und den USA zur Ruine der Frauenkirche gehen, dem Symbol für den Untergang Dresdens. Dort werden sie in einer stillen Zeremonie Kerzen aufstellen und Blumen niederlegen.

Weniger still gestaltete sich gestern der Auftakt der Gedenkfeiern, bei denen Bundeskanzler Helmut Kohl einer Pontifikalmesse in der katholischen Hofkirche beiwohnte. Kohls Besuch war umstritten – auch aus Kreisen der Kirche wurde ihm sein Schweigen zu Boris Jelzins Krieg in Tschetschenien vorgehalten, in dessen Verlauf Grosny in einen Zustand gebombt worden ist, den Beobachter als „schlimmer als Dresden“ beschrieben haben. Vor der Kirche versammelten sich DemonstrantInnen mit Transparenten. Eine ältere Frau wurde unter dem Beifall von MessebesucherInnen vom Kirchplatz verjagt; auf ihrem Plakat stand: „Die Anwesenheit des Jelzin-Freundes und Schirmherren der Greuel von Grosny beleidigt die Opfer des 13. Februar 1945!“

Das Dresdner Gedenken hat rund 30.000 BesucherInnen in die Stadt gelockt, darunter die Oberhäupter aller zwölf Partnerstädte Dresdens und mehr als 500 JournalistInnen. Zur traditionellen Kranzniederlegung auf dem Heidefriedhof werden heute der Herzog von Kent als Gesandter des britischen Königshauses und hochrangige Militärs aus den USA, aus Großbritannien und Deutschland erwartet. Auf der zentralen Gedenkveranstaltung am Nachmittag sprechen Bundespräsident Roman Herzog und die Oberbürgermeister von Coventry und Dresden, Nick Nolan und Herbert Wagner.

Ein Aufmarsch von Neonazis war am Freitag vom Sächsischen Oberverwaltungsgericht verboten worden. Um jeden Bruch dieses Demonstrationsverbots zu verhindern, ist in Dresden massiv Polizei präsent; bisher strich aber nur vereinzeltes Neonazi-Fußvolk in der City herum. NPD- Chef Günter Deckert und neun weitere NPD-Mitglieder wurden bereits am Samstag bei der Anfahrt nach Dresden an der Autobahnabfahrt Wilsdruff festgenommen. Sechs weitere Rechtsradikale wurden in Vorbeugegewahrsam genommen. Detlef Krell Tagesthema Seite 3