■ Standbild: Computerbilder "Trau schau wem"
„Trau schau wem“, Sonntag, 13.30 Uhr, WDR 3
Die Bilder sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. So das Lamento mancher besonders visionärer Medienkritiker. Durch Digitalisierung ist es heute möglich, Abbildungen herzustellen, die aussehen wie Fotos, ohne daß die darauf zu sehenden Gegenstände oder Situationen existieren müßten. Sie sind nicht von einer Kamera aufgenommen, sondern sie werden von einem Computer generiert: Pixel für Pixel. Mit absoluter Perfektion. In Sekundenschnelle.
Was für Konsequenzen haben die neuen Möglichkeiten für unseren Umgang mit Bildern? Dieser Frage geht Kay Hoffmann in seiner Dokumentation nach – und er beantwortet sie auch: Im Grunde genommen keine. Nach wie vor gilt: Kein Bild oder Foto kann aus sich selbst heraus Authentizität verbürgen. Die Möglichkeiten der Manipulation beginnen lange vor der Digitalisierung. Schon die Wahl des Ausschnitts entscheidet über die Bildaussage. Fälschungen und Retuschen narrten die Menschheit schon immer. Letztlich ist eben auch eine Fotografie nur so vertrauenswürdig wie derjenige, der für ihre Echtheit bürgt. Mit McLuhan gesprochen: Ich glaube nicht, was ich sehe, sondern ich sehe, was ich glaube.
Diese schlichte, aber wichtige medienpraktische Empfehlung klar und verständlich über den Sender gebracht zu haben, ist ein Verdienst des WDR-Films. Auf eine unangenehme Art überflüssig war dabei jedoch die notorische Lobhudelei in eigener Sache. Ungefiltert durften ARD- Größen (unter anderen Bednarz und Deppendorf) die „Verluderung des Journalismus“ geißeln und die gediegene Seriosität des eigenen Hauses preisen. Nicht daß dem nicht so wäre – aber eben nur relativ gesehen. Die Wahrhaftigkeit der TV-Nachrichtenbilder, die heute zum großen Teil von Agenturen kommen, kann auch eine „Tagesschau“ nicht garantieren.
Auch hätte ich mir gerade in diesem Film einen bewußteren Umgang mit den eigenen Bildstrecken gewünscht. Dummerweise bekamen wir ungebrochen die üblichen Inszenierungen von Talking Heads vorgesetzt: Leute, die mit flackernden Monitorwänden im Rücken wichtige Worte in die Kamera sprechen. Auch die zu Referenzzwecken eingespielten Filmschnipsel wurden nicht immer ausgewiesen. Wo wir doch eben erst gelernt hatten, wie riskant es ist, Bilder für sich selbst sprechen zu lassen. Martin Muser
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen