Kein Lächeln für „Sibylle“

■ Die etwas andere Modezeitschrift aus Berlin ist nicht mehr

Sie haben selten gelächelt, die Models von Sibylle. Immer hat sich das schlanke Journal aus Berlin den ungeliebten Gesetzen der Welt und denen der Branche ein wenig verweigert: Einst plazierte es seine Entwürfe als Träume voll Wehmut mitten in die trübe Welt der VEB Obertrikotagen Glauchau, nun sieht man die sanften Seidenkleider des Sommers vor verschlissenen Bildern aufstrebender Himmelskörper und stolzer Komsomolzinnen – ein Wandgemälde irgendwo in einer verlassenen Sowjetbaracke. Sie werden nicht mehr zu sehen sein, Sibylles Geschlechterdiskurse in Mode. Am vergangenen Freitag erschienen die Gesellschafterinnen des Verlags vor dem Konkursrichter, eine knappe Pressemitteilung gab die Einstellung der „Zeitschrift für Mode und Kultur“ bekannt.

Erst im Frühjahr hatten die Redakteurinnen das Blatt für eine Mark vom Nürnberger Gong-Verlag übernommen, der nie ein rechtes Interesse an dem Objekt hatte, das dort eher zufällig untergekommen war. Die Direktive „Niveau senken!“ ist aus dieser Zeit überliefert, sie blieb ebenso ungehört wie zuvor jene aus dem ZK, das „mehr Optimismus“ sehen wollte. Inhaltlich gelang den Neu-Verlegerinnen der Versuch einer etwas anderen Zeitschrift von Frauen für Frauen. Sie konnten trotz fehlender Gelder für Werbung und Vertrieb die lächerliche Auflage von 20.000 verdoppeln, und als einziges Blatt aus dem Osten verkaufte Sibylle am Schluß zwei Drittel seiner Auflage im Westen.

Bis zum Ende zeigte die Abo- Kurve deutlich nach oben, wurde die Zeitschrift an den wenigen mit dem Heft ausgestatteten Kiosken gut verkauft. Doch weder ließ sich ein Investor für den katastrophal unterkapitalisierten Verlag finden, noch wollten Banken das Risiko eingehen. Dabei wäre es keineswegs bodenlos gewesen: „Mit mehr Zeit, mehr Geld für Leserwerbung und 20 Anzeigenseiten hätten wir es geschafft“, glaubt Textchefin Regina Conradt. Aber die Anzeigen kamen nicht.

Der Versuch, eine Zeitschrift zu machen, die mehr will, als Anzeigenraum zu verkaufen, hinterläßt Schuldenberge und nicht abgesicherte Mitarbeiterinnen. Er hinterläßt aber auch Ideen für zahlreiche Zeitschriftenseiten, die sein sollten wie die Nischen-Kundschaft der Sibylle: schön, klug und eigenwillig.

„Dieses Frühjahr wird wieder besonders sexy“, kündigt eben ein Konkurrenzblatt an. Jetzt müssen sie wieder lächeln, die Mädchen. Breit lächeln für Amica und Allegra, die marketing-maßgeschneiderten Objekte, die die Großverlage Milchstraße und Springer dieser Tage auf den Markt der Frauenzeitungen werfen wollen. Lutz Meier