Helfer reich, Ruanda arm

■ Bei der Aufbauhilfe für Ruanda, deren Intensivierung die Hilfsorganisation Oxfam fordert, liegt Deutschland vorn

Berlin (taz) – „Es gibt 150 Hilfsorganisationen, die in Ruandas Hauptstadt Kigali tätig sind. Sie fahren alle in ihren Jeeps herum. Aber der Koordinator der ruandischen Regierung für die Arbeit der Hilfsorganisationen hat nicht einmal ein Auto – er sitzt im Sammeltaxi.“ Mit dieser drastischen Schilderung der Lage in Ruanda unterstrich gestern Guy Vassall-Adams von der britischen Hilfsorganisation „Oxfam“ in Berlin bei der Präsentation des neuen Ruanda-Berichts seiner Organisation seinen Appell an die Regierungen Deutschlands und anderer Länder, sich verstärkt dem Wiederaufbau des Landes zu widmen, anstatt sich wie bisher auf die Flüchtlinge in den Nachbarländern zu konzentrieren.

„Mehr als die Hälfte der früheren Bevölkerung Ruandas von 7,2 Millionen ist entweder tot, vertrieben oder lebt in Flüchtlingslagern“, heißt es in dem Bericht „Ruanda – ein Plan für internationale Aktionen“. „Der größte Teil des Landes ist physisch zerstört worden.“ In dieser Situation und in der Abwesenheit funktionierender staatlicher Strukturen könne eine Massenrückführung von Flüchtlingen nicht verantwortet werden. Diese müsse aber irgendwann geschehen – sonst drohe „eine Aufstandskampagne“ der nach Zaire geflohenen früheren Regierung Ruandas, die die dortigen Flüchtlingslager weitgehend kontrolliert. Die Lager in Zaire, die nach Vassall-Adams' Beobachtungen längst keine improvisierten Elendsstätten mehr sind, sondern „kleinen Städten mit eigenen Geschäften und sogar Kinos“ ähneln, beherbergen nach der Rückkehr von 200.000 Menschen nach Ruanda noch 700.000 Flüchtlinge.

Kern eines Wiederaufbauprogramms wäre, so sagen Oxfam wie UNO, der Aufbau funktionierender Verwaltungsstrukturen in Ruanda. Da nach Einschätzung der Weltbank gerade mal ein Fünftel des alten Beamtenbestandes noch vorhanden ist – der Rest ist tot oder im Ausland –, sind ausländische Helfer bei ihrer Arbeit oftmals auf sich selbst gestellt. Das führt dazu, daß in Ruandas herrschender RPF (Ruandische Patriotische Front) zuweilen Irritationen über die Macht von Ausländern und UNO zu hören sind. Einschätzungen wie die öfters aus Paris zu hörende, in Ruanda herrsche allgemein „Chaos“, dienten nicht dazu, eine Vertrauensbasis zu schaffen. Diese ist aber für den Wiederaufbau unerläßlich.

Der Appell von Oxfam fällt auf bereits fruchtbaren Boden. Der Wiederaufbau Ruandas genießt seit der Genfer Ruanda-Hilfskonferenz der UNO Mitte Januar hohe Aufmerksamkeit. Damals waren Ruanda Finanzmittel von insgesamt weit über einer halben Milliarde Dollar zugesagt worden. Das ist etwa ein Viertel des Vorkriegs-Bruttosozialprodukts, das seitdem nach neuesten Weltbankschätzungen aufgrund des Bürgerkrieges stark geschrumpft ist – 1993 um 11 Prozent und 1994 gar um 50 Prozent. Als größter Einzelgeber in Genf hatte sich Deutschland mit 80 Millionen Dollar profiliert. Ein Schwerpunkt der deutschen Zusammenarbeit ist die Polizeihilfe: Zehn deutsche Polizisten sind inzwischen zu Ausbildungszwecken in Ruanda tätig. Auch Frankreich hat nach Monaten bilateraler Frostigkeiten im Januar mit der Nominierung eines Botschafters in Kigali und der Einrichtung eines Hilfsbudgets seine Ruanda- Kooperation wieder aufgenommen. Schwerpunkt soll der Aufbau des Gerichtswesens werden.

Delikat ist in diesem Zusammenhang, daß sich morgen in Burundis Hauptstadt Bujumbura die Staatschefs der Region mit der Chefin des UN-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR), Sadako Ogata, zu einem Gipfel treffen, der nach Vassall-Adams' Befürchtungen einen Beschluß zur „übereilten Repatriierung der Flüchtlinge“ aus Zaire, Burundi und Tansania nach Ruanda führen könnte. Der UNO-Sicherheitsrat hatte am Freitag das Ziel einer Rückführung der Ruanda-Flüchtlinge bestätigt. Statt dessen aber, so Oxfam, sollten diejenigen Personen unter den Flüchtlingen, die für den Völkermord in Ruanda verantwortlich sind, ausgesondert und dem internationalen Ruanda-Tribunal zugeführt werden, während die anderen die freie Wahl erhalten, zu gehen oder zu bleiben. Positiv sieht Vassall-Adams dagegen die jetzt angelaufene Stationierung zusätzlicher zairischer Soldaten in den Lagern um das zairische Goma, um dort die Macht der ruandischen Milizenführer zu verringern. Da das UN-Flüchtlingskommissariat UNHCR die Zairer regelmäßig bezahlen soll, seien sie nicht wie andere zairische Militäreinheiten für ihren Lebensunterhalt auf Raub und Plünderung angewiesen. Dominic Johnson