Lagergreuel vor Gericht

■ Erste Prozesse vor UN-Tribunal wegen Kriegsverbrechen in Bosnien

Brüssel (taz) – Der Serbe Dusan Tadic, der in Deutschland in Haft ist, wird voraussichtlich der erste mutmaßliche Kriegsverbrecher aus dem ehemaligen Jugoslawien sein, dem von der UNO der Prozeß gemacht wird. Das internationale Tribunal für Menschenrechte in Den Haag hat gestern gegen 21 Serben Anklage wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit erhoben. Die Prozesse sollen noch im Frühjahr beginnen. Es sind die ersten internationalen Kriegsverbrecherprozesse seit Nürnberg und Tokio.

Das Tribunal in Den Haag, das 1993 vom UN-Sicherheitsrat geschaffen wurde, will sich als erstes die Verbrechen im Konzentrationslager Omarska vornehmen. In diesem Lager waren im Sommer 1992 rund 3.000 Kroaten und Muslime zusammengepfercht worden. Nach Schätzungen der UNO wurden in den zwei Monaten, die das Lager bestand, 1.500 Menschen zu Tode gequält. Gegen den Lagerkommandanten Zeljko Meakic und 20 weitere Kommandeure und Wächter hat das Tribunal nun Haftbefehle erlassen. Bis auf Dusan Tadic sind aber alle auf freiem Fuß. Die meisten von ihnen sollen sich in Bosnien aufhalten. Das deutsche Justizministerium hatte in den letzten Wochen angekündigt, Tadic auszuliefern.

Verschiedene Menschenrechtsorganisationen führen Listen mit mehreren tausend weiteren Namen, gegen die nach ihren Informationen ebenfalls Anklage wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit erhoben werden müßte. Doch das Tribunal kann jährlich nur 15 bis 20 Fälle behandeln. Politiker wie Serbenführer Karadžić, die nach Ansicht der UNO die „ethnischen Säuberungen“ angeordnet haben, sind nicht gemeint. Alois Berger