Gerichtsentscheid: Keine Immobilien für die IG-Farben

■ Enteignungen in letzter Instanz bestätigt

Berlin (taz/AFP) – Das von der Sowjetunion enteignete Vermögen von Nazi-Aktivisten und Kriegsverbrechern wird nicht an die früheren Eigentümer zurückgegeben. Das Bundesverwaltungsgericht hat gestern in letzter Instanz entschieden, daß dazu auch die 1.500 Grundstücke der sogenannten Liste3 in Ostberlin zählen, die erst einige Wochen nach Gründung der DDR enteignet wurden und heute rund 40 Milliarden Mark wert sind. Das Gericht verwies darauf, daß die Enteignungen in Verantwortung der sowjetischen Besatzungsmacht veranlaßt worden seien. Daß die Enteignung erst 56 Tage nach Gründung der DDR von DDR-Behörden vollzogen wurde, sei „unerheblich“. Mit der Entscheidung wies das Gericht die Klagen einer Privatfrau und des Kaufhauses Wertheim auf Rückgabe von Grundstücken an der Leipziger Straße zurück (Az.: 7 C 53.94 und 7 C 60/94).

Der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, Everhardt Franßen, sagte zur Begründung, daß der Viermächtestatus die Enteignungen in Berlin lediglich verzögert habe und allein darum die Liste-3-Objekte erst nach der Gründung der DDR im Dezember 1949 enteignet wurden. Die Sowjetunion habe bei den Verhandlungen um die Wiedervereinigung 1990 darauf gedrängt, die Rechtmäßigkeit der Enteignung von Nazi-Aktivisten nicht in Frage zu stellen. Die Klagen der Alteigentümer waren von der Vorinstanz unterschiedlich entschieden worden. Während das Berliner Verwaltungsgericht einer der beiden Klagen stattgegeben hatte, war die zweite Klage von einer anderen Kammer desselben Gerichts abgewiesen worden.

Auf der Liste3 stehen auch mehrere Grundstücke des früheren Chemiekonzerns IG-Farben. Der damals größte Chemiekonzern der Welt hatte die Nationalsozialisten aktiv unterstützt. Bei Auschwitz betrieb er ein eigenes Konzentrationslager, in dem über 25.000 Häftlinge und Zwangsarbeiter den Tod fanden. Ein Tochterunternehmen lieferte das ZyklonB für die Gaskammern. Seite 21