■ Bahnfahren am Wochenende ab sofort umsonst – legal
: Trampen im Abteil

Bahnland (taz) – Mehrere Tage lang versuchte taz-Reportageredakteurin M. kürzlich, einen Wahnsinnigen zum dienstlichen Bahnfahren zu überreden. Die perfide am Schreibtisch erdachte Aufgabe: das neue Angebot der Deutschen Bahn AG, „Schönes Wochenende“, zu testen. Damit fahren bis zu fünf Personen weekends in Nahverkehrszügen beliebig viel und weit innerhalb 48 Stunden für pauschal 15 Mark. Ausgeheckt hatte M. die Maximalfolter: Mithoppeln und Mitrattern in den verlockenden Plastikabteilen von der dänischen Grenze mit einem eleganten Schlenker durch den Osten bis ans bayerische Republikende. Niemand fand sich dazu bereit. Die taz sparte ein erhebliches Schmerzensgeld, womöglich eine lebenslange Rente.

Das neue Angebot der Bahn wirkt spektakulär preiswert. Und doch ist es noch so unausgegoren und ungerecht, daß es nicht durch eine große Reportage aufgewertet werden sollte. Fünf Personen für 15 Mark – das sind ganze 3 Mark pro Nase für Hin- und Rückfahrt an einen beliebigen Ort –, kommt das der alten Forderung nach Nulltarif für öffentliche Verkehrsmittel nicht erfreulich nahe? Aber was, wenn man allein fährt? Der fünffache Preis ist fällig! 15 Mark für einen – deutlich zuviel! Und: Wieso fünf? Zwei können knutschen, drei dreschen Skat, vier spielen Doppelkopf oder kommen als Doppelwhopper daher. Aber fünf?

Auf zur Kurztestfahrt in der örtlichen Regionalschnellbahn – Redakteurin M. stets im Sinn und ohne jeden Fahrschein. Auf dem Hinweg einfach den Waggon mit der Frage betreten: Fährt hier jemand für 15 Mark? Können Sie mich mitnehmen?“ Erwartungsgemäß sind lauter 15-Mark-Einzelreisende unterwegs. Kurze Erklärung – alles klar, als Gegenleistung für die Auserwählte der nächsten Stunde gibt's etwas Schokolade und ein Gespräch über die Dinge des Lebens. Der Schaffner kommt, knipst, geht.

Auf der Rückfahrt: Einsteigen, und diesmal nichts tun. Der Schaffner kommt – und wird erst mal aufgehalten. Beim Abknipsen fragt er drei rückreisende Vollzahler (jeweils für einen Weg 17,60 Mark), warum sie soviel bezahlt hätten. Empörung, als sie der lächelnde Kontrolleur auf das 15-Mark-Angebot hinweist. „Warum sagt uns das am Schalter niemand?“ – Die kühne wie kühle Replik: „Sie als Kunde haben auch Mitverantwortung, das günstigste Angebot zu finden ...“ Eine mäßige Rechtfertigung für abgezockte gute 60 Mark. Die drei sind stinksauer.

Dann steht er vor mir. „Ihr Fahrschein bitte?“ – „Im Wagen da hinten, da waren doch sicher 15-Mark-Kunden ...!“ – „Ja.“ – „Sehen Sie, da gehöre ich dazu.“ – „Dann müssen Sie auch da sitzen.“ – „Wo steht das?“

Dem Schaffner dämmert der Trick. So gehe es ja nun nicht, haha, ähem, dann müsse ich, ähem, die Leute um Erlaubnis fragen. „Kommen Sie wegen der Kontrolle mit, falls die sich verweigern...?“ Mittlerweile grinsen alle im Abteil. Ein samaritöser Mitreisender sagt, daß ich zu ihm gehöre. Der Schaffner geht kopfschüttelnd. Warum? Ich bin doch bloß meiner Mitverantwortung für das günstigste Angebot gerecht geworden – samt unterhaltsamer Weiterfahrt mit viel Gesprächsstoff über die Dinge des Bahnlebens.

Klares Testergebnis: Der Deutschen Bahn AG gebührt erneut höchstes Lob. Das Angebot, zu trampen beziehungsweise die Bahnwaggons als rollende Mitfahrzentralen zu interpretieren (wenngleich im Tarifdschungel noch etwas versteckt), ist eine sehr innovative Errungenschaft. Dadurch ist die Angebotslücke zum Konkurrenten Auto um eine weitere Facette geschlossen worden. Bernd Müllender