Press-Schlag
: Welches Känguruh hätten's denn gern?

■ Fast alle australischen Auswahlteams kämpfen im Namen des Nationaltiers

Die Bibel unter den australischen Naturführern ist eine Serie von Büchern mit Titeln wie „Welcher Vogel ist das?“, „Welche Pflanze ist das?“ oder „Welche möglicherweise tödliche Spinne ist das?“. Bedauerlicherweise gibt es bislang noch keine Ausgabe, die es einem ermöglichte, australische Sportteams anhand ihrer Spitznamen zu identifizieren. Es haben nämlich so gut wie alle Mannschaften in allen Sportarten Spitznamen. Allerdings sind sie bedauerlicherweise nicht mehr ganz so einfallsreich wie früher. Anfang des Jahrhunderts etwa nannte man den Australian-Football- Club aus Hawthorn (der im übrigen nicht Soccer, sondern Australian Rules Football spielte) „Mustard Pots“ (Senftöpfe). Die rot-schwarzen Farben der Mannschaft aus Essendon inspirierten deren Anhänger dazu, sie „Blood-Stained Niggers“ zu nennen, was nichts anderes als „Die blutbefleckten Nigger“ heißt. Heutzutage nennen sie Essendon weit prosaischer, aber kaum weniger fragwürdig „Die Bomber“.

Auf die ausgesprochen phantasievolle Frühphase folgte ein langer Abschnitt, in dem Tiere zum alles bestimmenden Thema wurden. Die meisten Clubs bevorzugten Haustiere wie Katzen (Cats) und Bulldoggen (Bulldogs) oder gleich ganz unaustralische Tiere wie Tiger und Löwen. Allein den „South Sydney Rabbitohs“ blieb es vorbehalten, mit ihrem Namen eine Verbindung zur Realität ihres Stadtteils herzustellen. „Die Kaninchenverkäufer“ waren nämlich Männer, die während der Weltwirtschaftskrise von Tür zu Tür gingen, um Kaninchen zu verkaufen, die sie in den Dünen gefangen hatten.

Heutzutage neigen Clubs bedauerlicherweise dazu, sich lächerliche und aufgeblasene Namen aus Amerika auszuborgen, und so wimmelt es von Raiders, Cowboys oder Warriors. Bodenständig dagegen bleibt allein das Cricket-Team von South Australia, das sich immer noch „Croweaters“ (Krähenfresser) nennt. Queensland dagegen, einst die „Bananabenders“ (Bananenbieger), heißen jetzt langweiligerweise einfach „Bulls“ (Bullen).

Auch jede Nationalmannschaft hat einen Spitznamen. Es dürfte kaum überraschen, daß man allerdings bei der Benennung konservativer vorgegangen ist und sich einer australischen Ikone bedient. Obwohl die Tierwelt des Landes spektakuläre und originelle Vielfalt zu bieten hat, orientieren sich nur wenige Mannschaften jenseits des weit anerkannten australischen Symbols: des Känguruhs. Das liegt wohl auch daran, daß Emus zwar schnelle Läufer sind, aber für etwas blöd gehalten werden.

Koalas sind zwar niedlich, gleichzeitig aber etwas schläfrig und drohen bald auszusterben. Zwei Attribute, mit denen sich keine Mannschaft schmücken will. Und das Schnabeltier, dieses scheue, eierlegende und im Wasser lebende Säugetier, führt einfach eine zu obskure Existenz.

Damit steht man also vor dem Problem, immer mehr Varianten des Wortes „Känguruh“ finden zu müssen. Fußball ist das hauptsächliche Opfer dieses schmerzhaften Prozesses, denn die beiden Rugby-Mannschaften (Profis wie Amateure) sicherten sich Anfang des Jahrhunderts die Namen „Kangoroos“ und „Wallabies“, womit eine kleinere Sorte Känguruhs bezeichnet wird. Die Basketballer mußten natürlich „Boomers“ sein, denn dies ist eine besonders große Känguruh-Art.

Die Fußballer firmieren als „Socceroos“ oder, um genauer zu sein, als „Coca-Cola Socceroos“. Neben ihnen gibt es aber noch andere kickende Nationalteams. Die U-17-Mannschaft sind die „Joeys“, Känguruhs, die noch bei ihrer Mutter im Beutel sitzen. Ein schlimmeres Schicksal hat allerdings das U-23-Team erwischt: Weil es sich für die Olympischen Spiele qualifizieren soll, heißt es Olympia-Kangaroos. Da nun aber Australier niedliche Abkürzungen lieben, firmiert die bedauernswerte Mannschaft unter „Olyroos“ oder, um auch hier die ganze Wahrheit nicht zu verschweigen, unter „Coca-Cola Olyroos“. Und das ist nicht etwa ein Spitzname, sondern der offizielle, der auf Anzeigetafeln und Eintrittskarten steht. So gesehen wäre wohl komplette Phantasielosigkeit und ein schlichtes „Australien“ auch wieder nicht schlecht. Mike Ticher, Sydney