„Weg vom anonymen Fleisch“

Mit Betriebsschließungen, Spar- und vertrauensbildenden Maßnahmen will der angeschlagene Fleischkonzern Moksel seine Talfahrt beenden  ■ Von Klaus Wittmann

Buchloe (taz) – Den Namen Alexander Schalck-Golodkowski nimmt bei Moksel niemand mehr in den Mund. Der neue Vorstandschef Herbert Wüst (55) nicht und auch nicht Schalcks Anwalt Peter Danckert (54), seit September vergangenen Jahres Aufsichtsratsvorsitzender der Alexander Moksel AG im bayerischen Buchloe. Der Firmengründer selbst, der die für den gigantischen Aufstieg so hilfreichen Ostkontakte einst knüpfte, ist offiziell längst aus der Firmenleitung des Fleischkonzerns ausgeschieden und wirkt nur noch im Hintergrund mit. Als Berater, „und zwar als hochgeschätzter“, wie der neue Moksel-Chef sagt.

Doch trotz aller Versuche, die düstere Vergangenheit – Subventionsbetrug, Steuerhinterziehung und ähnliches – hinter sich zu lassen, weiß man natürlich auch in Buchloe, daß das nicht von heute auf morgen geht. Neue Offenheit ist das Motto, dem man sich bei Moksel plötzlich verpflichtet fühlt. So kürten denn die Fleischbarone aus dem Allgäu jüngst den 47jährigen einstigen Hauptgeschäftsführer des Deutschen Vieh- und Fleischhandelsbundes, Hans-Joachim Bauer, zum ersten Pressesprecher in der 47jährigen Firmengeschichte. Daß man bei Moksel die Fehler der Vergangenheit inzwischen erkannt hat, machten die Worte von Vorstandschef Wüst bei der Vorstellung Bauers deutlich. „Wichtigstes Ziel aller kommunikativen Aktivitäten des Konzerns ist die Rückgewinnung von Glaubwürdigkeit und Vertrauen nach innen und außen.“

Moksel hat nach dem „schwierigsten Jahr der Firmengeschichte“ (Wüst) ein Restrukturierungs-, sprich Sanierungskonzept vorgelegt, das die Talfahrt des hochverschuldeten Fleischkonzerns beenden soll. Reichlich optimistisch, bei 800 Millionen Mark Bankschulden in zwei Jahren den Umschwung schaffen zu wollen – bei einem Jahresfehlbetrag von 200 Millionen Mark allein im Jahr 1994. 400 Beschäftigte wurden im vergangenen Jahr bereits entlassen. An den verbliebenen 2.200 Arbeitsplätzen will Herbert Wüst nicht rütteln. „Dies wird nur als allerletzte Lösung betrachtet.“ Also eine Absichtserklärung, nicht mehr. Nach den Schließungen des Berliner Verteilerzentrums und von Betrieben in Ansbach, Göppingen, Ulm, Gelsenkirchen und Pfaffenhofen ist bei den Stillegungen noch längst nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. Mindestens 60 Firmen und Schlachtereien aus dem fast unüberschaubaren Firmenkonglomerat (255 Firmen) sollen noch dichtgemacht werden. Davon betroffen ist auch mindestens einer der drei besonders unrentablen Schlachthöfe in Ostdeutschland. Gleichzeitig wird bei Moksel aber kräftig in die Modernisierung investiert. 40 Millionen Mark kostet allein der Neubau des Landshuter Schlachthofs.

Die Banken, versichert der Vorstandsvorsitzende, stünden nach wie vor voll hinter Moksel. Dennoch müßten 1995 mindestens 70 Millionen Mark eingespart werden. Die Existenzgrundlage, ergänzt Aufsichtsratschef Danckert, sei bei dem Konzern mit 4 Milliarden Mark Jahresumsatz gesichert. Ein bißchen Geld sparen will man auch mit der Auslagerung bestimmter zu erbringender Leistungen. Außerdem hofft man, wie überall in der Fleischbranche, daß die Rinderseuche BSE und die Schweinepest das Kaufinteresse der Verbraucher nicht noch weiter schrumpfen lassen (siehe dazu nebenstehenden Kasten).

Qualitätsbewußtsein, vertrauensbildende Maßnahmen – das sind die Moksel-Schlagworte 95. In Mittelfranken, der Oberpfalz und anderswo sollen weitere Erzeugergemeinschaften als Lieferanten gewonnen werden, weil in den nächsten Jahren allein in Deutschland 400.000 Kälber jährlich weniger auf den Markt kommen werden. Ausdrücklich wird hervorgehoben, daß die Viehfahrer für den tierschonenden Transport geschult würden. Ein neues Schlagwort ist auch „weg vom anonymen Fleisch“. Kein leichtes Unterfangen bei 2,5 Millionen geschlachteten Schweinen im Jahr und 550.000 Rindern.

Herbert Wüst will „beweisen, daß ich sehr wohl den Moksel- Konzern sanieren kann“. Der einstige Referatsleiter im bayerischen Landwirtschaftsministerium wirbt um Vertrauen. Aber wenn er dann gefragt wird, wie er mit dem Unsicherheitsfaktor März AG umzugehen gedenkt, bleibt er die Antwort schuldig. Die Rosenheimer Gebr. März AG halten 33,8 Prozent der Moksel-Aktien, und die würden die noch schwerer als Moksel angeschlagenen Rosenheimer lieber heute als morgen abstoßen.

Was aber passiert, wenn März die Moksel-Aktien tatsächlich abstößt, so, wie er sich unter dem Druck der Banken, vor allem der Bayern-Hypo, schon vom lukrativen Bavaria-St.-Pauli-Paket getrennt hat und in Kürze auch die Molkerei Deller verpachten will? Wer wird dann neuer Moksel- Großaktionär, und was bedeutet das für das Wüstsche Sanierungskonzept? Ebenso unbeantwortet ist bis heute die Frage nach den endgültigen Verlusten durch die Betrügereien bei den Moksel- Töchtern Salomon und Veltista (Griechenland). Ob die Banken auch dann noch so ohne Wenn und Aber zum Buchloer Fleischkonzern stehen, wenn das Grundkapital von 100 Millionen Mark doch angegriffen werden muß?

Hinter dem Sanierungskonzept stehen also reichlich Fragezeichen. Trotzdem wird dem Fleischkonzern der Schritt in eine bessere Zukunft eher zugetraut als den Partnern und einstmals schärfsten Konkurrenten in Rosenheim, die sich durch einen schier grenzenlosen Zukauf in den verschiedensten Branchen völlig verzettelt haben.

Daß Moksel sich um keinen Preis in diesen Strudel mit hineinziehen lassen will, wird an der eingangs erwähnten neu installierten Pressestelle deutlich. Denn noch vor einigen Wochen war sich der März-Sprecher sicher, bald auch die Moksel-Pressearbeit mit zu übernehmen.