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Virtuoses Grab

■ „The Day The Sun Turned Cold“ von Yim Ho im Forum

Dieser Film hat im Forum eigentlich nichts zu suchen. Nicht nur weil Regisseur Yim Ho die vierzig schon reichlich überschritten hat, sondern vor allem, weil Yim schon eine ziemlich erfolgreiche und preisüberschüttete Karriere beim Fernsehen und als Autorenfilmer hinter sich gebracht hat.

Da es in Hongkong aber ebenso schwierig wie in anderen Ländern ist, für anspruchsvolle Stoffe Geld aufzutreiben, war Yim einer der ersten, die Co-Produktionen mit der Volksrepublik China durchführten. Und komischerweise wurde der so entstandene „Homecoming“ von 1984 der erste Film, der sich offensichtlich mit der britischen Entscheidung auseinandersetzte, die Kronkolonie Hongkong dem Mutterland China zurückzugeben. In „Homecoming“ (deutscher Titel bei der ZDF-Ausstrahlung 1989: „Das Dorf meiner frühen Liebe“) kehrt eine Hongkong- Chinesin in ihr südchinesisches Heimatdorf zurück und wird mit den zu erwartenden gesellschaftlichen Differenzen konfrontiert.

Seitdem ist viel Zeit vergangen, und Yim Ho und seine Filme haben sich verändert. Für „Red Dust“ gewann Yim 1990 in Taiwan acht Golden Horse Film Awards (eine Art asiatischer Oscar), und vor allem europäische Kritiker beklagten seinen kommerziellen Durchbruch. Sie werden also auch von „The Day The Sun Turned Cold“ enttäuscht sein, der auf einem authentischen Kriminalfall beruht, der sich in der VR China zugetragen hat. Ein Arbeiter zeigt seine eigene Mutter an, sie hätte seinen Vater umgebracht – vor zehn Jahren. Mit der Polizei reist der junge Mann aus der Stadt in sein Heimatdorf, der damals schon mysteriös erscheinende Tod wird noch einmal untersucht und in Rückblenden erzählt, wie es zu dem Verbrechen kam.

Yim nimmt bewußt die Spannung weg, indem er den Tod des Vaters an den Anfang stellt, aber schafft so Raum für die Mutter- Sohn-Beziehung, die zentrale Psychologie des Films. Die beiden, zehn Jahre auseinanderliegenden Erzählebenen, geben Yim die Möglichkeit, moralische Veränderungen in China zu thematisieren, ebenso wie den Konflikt zwischen der alten, agrarischen und der modernen, auf Industrialisierung ausgerichteten VR.

Doch „The Day The Sun Turned Cold“ ist vor allem ein fast klassisches Melodram, in dem sich Menschen, getrieben von Moral und Gesellschaft, aber fast ohne eigenes Zutun, selbst ihr Grab schaufeln. Und in allererster Linie ein Krimi, der funktioniert, obwohl doch die Auflösung immer klar ist. Noch dazu in Bildern der 90er, die so perfekt sind, daß auch dieser Film einmal mehr beweist, daß Hongkong in der Lage ist, ebenso virtuos mit den Techniken des Mainstream-Kinos umzugehen wie Hollywood selbst. Thomas Winkler

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