Das Veto kommt aus den Gewehrläufen

■ Ken Maginnis, Abgeordneter der nordirischen Ulster Unionist Party (UUP) im britischen Unterhaus, über das anglo-irische Papier und das Verhältnis zur Regierung Major

taz: Nachdem bekanntgeworden ist, daß das anglo-irische Diskussionspapier Pläne für gesamtirische Institutionen mit Exekutivgewalt enthält, haben die neun UUP-Abgeordneten mit dem Sturz von John Majors Minderheitsregierung gedroht. Wie ernst ist es ihnen damit?

Ken Maginnis: Als es vor den letzten Parlamentswahlen immer wahrscheinlicher wurde, daß entweder die Konservativen oder die Labour Party nur mit einer knappen Mehrheit an die Macht kommen würden, haben die Unionisten erklärt, daß sie die Regierung nicht zu Fall bringen, solange sie im besten Interesse des Vereinigten Königreiches im allgemeinen und Nordirlands im besonderen handelt. Von dieser Position sind wir bis heute nicht abgewichen. Wo wir mit der Regierung nicht einer Meinung waren, haben wir gegen sie gestimmt, wie bei der Mehrwertsteuer auf Heizmaterial. Wir haben aber nie irgendeinen Kuhhandel angeboten. Das hätte zwar kurzfristig von Nutzen sein können, wäre langfristig aber eher schädlich gewesen. Und auf dieser Grundlage werden wir auch weitermachen.

Was heißt das konkret? Würden Sie es als Verrat ansehen, wenn es stimmt, was über das Papier durchgesickert ist?

Wir mögen überhaupt nicht, was da durchgesickert ist, obwohl uns natürlich klar ist, daß es sich dabei nur um einen bestimmten Teil des Papiers handelt. Die anderen Elemente kennen wir nicht. Wenn das Papier die Unionisten in die Defensive drängt, ist es sinnlos. Es sollte die Probleme definieren, sie in Gruppen zusammenfassen und vielleicht einen Lösungsweg anzeigen, aber keinesfalls die Strukturen vorschreiben. Wenn das Papier zu einem Teil des Problems wird, kommen wir in Schwierigkeiten – aber erst recht die Regierungen in London und Dublin.

Major hat wiederholt betont, daß es für die Unionisten eine dreifache Sicherung gibt: Zum einen sind die unionistischen Politiker bei den Verhandlungen über das Papier dabei, zum anderen muß das Ergebnis durch ein nordirisches Referendum abgesegnet werden, und schließlich muß das geplante nordirische Parlament das Ganze verabschieden. Warum dann die Aufregung?

Das alles reicht möglicherweise, um das Papier zu kippen, aber welchen Sinn macht es, darüber zu debattieren, wenn die Grundlage nicht stimmt. Es würde die Sache nur erschweren.

Es wird in der letzten Zeit viel über eine Annäherung zwischen Unionisten und der runderneuerten Labour Party von Tony Blair spekuliert. Was ist dran?

Ich glaube, die Labour Party – insbesondere ihre neue Nordirland-Sprecherin Mo Mowlam – hat erkannt, daß sich die Unionisten stets ehrenhaft verhalten haben. Sollte Labour bei den nächsten Wahlen eine knappe Mehrheit erhalten, könnte die Partei unter denselben Voraussetzungen wie die Konservativen mit unserer Unterstützung rechnen. Mit unseren neun von mehr als sechshundert Abgeordneten könnten wir im britischen Parlament aber keine große Allianz eingehen.

Wie soll es mit dem nordirischen Friedensprozeß weitergehen, wenn die Unionisten das anglo- irische Papier ablehnen?

75 bis 80 Prozent der Bevölkerung treten für die Verbindung mit dem Vereinigten Königreich ein oder sind zumindest zufrieden damit. Wir wollen den 20 Prozent entgegenkommen, die gegen diese Verbindung sind. Um ihnen die Sorge zu nehmen, haben wir eine Bürgerrechtscharta vorgelegt. Nur die Hälfte dieser Minderheit unterstützt ja die IRA. Es wird Zeit, daß sich die britische Regierung um die 90 Prozent kümmert, die sich aus beiden Bevölkerungsteilen zusammensetzen, anstatt ausschließlich auf diejenigen einzugehen, die das Land in den vergangenen 25 Jahren mit Gewalt überzogen haben. Sie sagen, die IRA hat bis zu 20 Mordanschläge auf Sie verübt. Glauben Sie, daß die IRA es mit dem Waffenstillstand ernst meint?

Davon bin ich überhaupt nicht überzeugt. Wie auch, solange die IRA über hundert Tonnen modernster Waffen verfügt – darunter zwei Tonnen Semtex-Sprengstoff, ein Dutzend schwerer Maschinengewehre, 1.200 Gewehre und vermutlich mehr als zehn SAM-7-Raketen?

Bei einer Diskussion im US- Fernsehen haben Sie vor wenigen Monaten mit Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams an einem Tisch gesessen, aber ihn ignoriert. Wären Sie inzwischen bereit, mit ihm zu reden?

Ich würde mit niemandem reden, der über ein solches Waffenarsenal verfügt – außer über die Herausgabe der Waffen. Es ist jedoch Sache der Regierung, wie sie mit Terroristen verhandelt. Es heißt immer, die Unionisten hätten ein Veto in nordirischen Angelegenheiten. Das ist ein Mythos. In Wahrheit haben diese schwer bewaffneten zehn Prozent der Bevölkerung ein Veto: Es kommt aus dem Lauf ihrer Gewehre. Wenn es ein völliges und dauerhaftes Ende der Gewalt gäbe, die Waffen aus dem Verkehr gezogen wären und die IRA-Basis sich daran hielte, dann wären die Verhandlungsbedingungen für alle Beteiligten gleich. Sosehr mich der Gedanke anwidert, mich mit Gerry Adams und Martin McGuinness an einen Tisch zu setzen, es wäre dann meine Pflicht.

Verschiedene britische Zeitungen haben behauptet, Ihr Spitzname sei „der Dubliner“. Wie kommen die darauf?

Das ist eine Erfindung, niemand hat mich jemals so genannt. Zwar kritisiert mich Ian Paisleys Partei, die Demokratische Unionistische Partei, für meine guten Verbindungen nach Dublin, aber „Dubliner“ hat man mich nicht getauft. Man hat mich aber weiß Gott mit schlimmeren Schimpfwörtern belegt. Interview: Ralf Sotscheck