Wald ertrinkt in Gülle

■ Jeder Hektar Wald muß mit 10 bis 15 Kilogramm Ammoniak fertig werden

Berlin (taz) – Klein- und Großvieh machen so viel Mist, daß sie den Bäumen fast so stark schaden wie der Autoverkehr. Zu diesem Schluß kommt die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW), in der vorwiegend Waldbesitzer und Forstwirtschaftler organisiert sind. „Die Landwirtschaft ist ein lange unterschätzter Mitverursacher des Waldsterbens“, heißt es in einer gestern verbreiteten Veröffentlichung.

543.000 Tonnen Ammoniak werden pro Jahr in Deutschland emittiert – rund 85 Prozent stammen aus Kuh- und Schweineställen, hat die SDW errechnet. Andreas Krug, Waldexperte vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), geht von einer Million Tonnen Ammoniak aus – und liegt damit immer noch im unteren Bereich der Schätzungen.

Ammoniak ist ein stechend riechendes Gas, das aus den Stickstoffverbindungen in der Gülle entsteht. Insbesondere beim Düngen der Felder oder bei der Lagerung entweicht NH3 in die Luft. Regenwasser und Ammoniak verbinden sich zu Salpetersäure, die auf Wälder, Felder und Wiesen niedergeht. Je nachdem, ob viele Bakterien und Pilze in dem Boden leben, führt das zu Versauerung oder Überdüngung der Erde. Beides schadet den Wäldern.

Während die Versauerung des Bodens Flora und Fauna direkt angreift, wirkt die Umwandlung der Salpetersäure durch Mikroorganismen in Ammonium und Nitrat zunächst wachstumsfördernd. Die übermäßig sprießenden Pflanzen aber entziehen dem Boden so viel Kalium, Kalzium, Magnesium, Mangan und Wasser, daß sie sich selbst die Nährstoffgrundlage wegfressen. „Kronenverlichtungen, Wurzelschäden und Absterbeerscheinungen“ sind die Folge, hat die SDW beobachtet.

„In Mitteleuropa kann der Wald fünf bis zehn Kilo Stickstoff pro Hektar und Jahr verkraften“, sagt Andreas Krug. Schon die zehn bis fünfzehn Kilo aus dem Ammoniak sind also entschieden zuviel. Hinzu aber kommen noch die Stickstoffeinträge aus dem Verkehr, die mit etwa zwanzig Kilo zu veranschlagen sind. Dies sind allerdings alles nur grobe Rechnungen. „Die Natur ist zu kompliziert, um sie auf ein paar Zahlen zu reduzieren“, so Krug.

Die SDW aber will den konventionell arbeitenden Bauern mit ihren Forderungen dennoch nicht zu nahe treten: Sie wünscht freiwillige Produktionsumstellungen und technische Neuerungen wie Schleppschläuche, aus denen die Gülle direkt in den Boden sickert sowie Filter für Kuhställe. Annette Jensen