„Eure Exzellenz, wir möchten Ihnen danken“

■ Mit einem Abendessen verabschiedete sich die UNO von einem der Kriegsherren

Die Tische sind mit Bougainvilleas geschmückt, über der Tafel blinken bunte Glühbirnchen – aber Stimmung will nicht aufkommen. Fast schweigend verzehren die hundert Gäste die erlesenen Speisen. Dabei gibt es, sagt der Gastgeber, „vieles zu feiern“.

Der Gastgeber ist der scheidende UNO-Sonderbotschafter Victor Gbeho. Geladen sind Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, UNO-Militärs und die Honoratioren aus dem Norden von Mogadischu, dem Einflußbereich von Fraktionschef Ali Mahdi. Dieser sitzt als Ehrengast zur Rechten des Botschafters und wird von ihm als „Exzellenz“ tituliert. Die UNO habe in Somalia vieles erreicht, meint Victor Gbeho in seiner Tischrede. „Es gibt in diesem Land keine Hungersnot mehr. In weiten Teilen Somalias herrschen Gesetz und Ordnung. Wir haben kompetente Richter ernannt. Gleichermaßen erfolgreich waren wir im Gesundheitsbereich.“ Er dankt Mahdi für die Zusammenarbeit.

„Oh, mein Gott“, wird am nächsten Tag der Internist Osman Mohamed Dufle stöhnen, als er sich an diese Rede erinnert. Er arbeitet in einer kleinen Privatklinik im Norden Mogadischus. Nach dem Abzug der UNO-Militärs und der Ausreise der meisten ausländischen Helfer weiß er nicht einmal mehr, woher er Filme für Röntgenbilder nehmen soll. „All diese Autos, die jetzt hier weggebracht werden: Wir haben die UNO angefleht, uns Ambulanzen für die Krankenhäuser zurückzulassen, wir haben sie um Generatoren für unsere Krankenhäuser gebeten – ohne Ergebnis. Ich wollte aufspringen, als der UNO-Botschafter redete und ,nein‘ schreien.“

Aber niemand unterbricht den Botschafter bei seiner Rede. „Wir verlassen dieses Land ohne ein Gefühl von Schuld.“ Mehrfach wiederholt Gbeho diesen Satz, auch als er zugibt, daß eine politische Stabilisierung Somalias nicht erreicht worden sei.

Ali Mahdi, der von seinen Anhängern zum „Präsidenten“ Somalias ausgerufen worden ist, analysiert in seiner Rede die Lage aus seiner Sicht. Es gebe in der Stadt zwei Gruppen: eine – nämlich die seine –, die „unablässig für Frieden und Demokratie“ gearbeitet habe, und eine andere – nämlich die seines Erzrivalen Aidid –, deren Mitglieder „ihre persönlichen Machtinteressen über das Gemeinwohl“ stellten. Freundlicher Applaus aller Anwesenden.

Eine vergleichbare Veranstaltung im Süden Mogadischus ist vom UNO-Botschafter nicht geplant. Untermauert die UNO hier nicht bis zur buchstäblich letzten Minute den Vorwurf, sie ergreife in den Fraktionskämpfen Partei? „Ich kann keinen Kommentar zu diesem Abendessen abgeben“, sagt UNO-Sprecher George Bennett. „Ich war nicht dabei.“