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Alles, nur nicht Bennetton

■ Gespräche über das Virus: „Aids – und kein Ende in Sicht“ von Paule Muxel und Bertrand de Soliers (Panorama)

Sida, une histoire qui n'a pas de fin“ – das sind diese Gespräche, wie man sie mit einem guten Freund oder einer alten Freundin in der vertrauten Atmosphäre einer Autokabine führt.

Während draußen die Straßen irgendeiner französischen Stadt flüchtig vorbeiziehen, bei Tageslicht und nachts, befragen drinnen Paule Muxel und Bertrand de Soliers ÄrztInnen und PflegerInnen, die ihre Arbeit der Bekämpfung von Aids und der Betreuung und Pflege von Kranken widmen. Da sitzen sie also, und sie suchen nach persönlichen Antworten, nicht nach professionellen.

Das erstaunlichste an diesem Film ist die Offenheit und die spürbare Vertrautheit, mit der hier geantwortet wird, aber auch das Niveau der Selbstreflexion. Selten hat man Angehörige veschiedenster Berufsstände so uneitel, so nachdenklich und engagiert über ihre Arbeit und die daraus entstandenen persönlichen Beziehungen sprechen hören – und über die eigene Entwickung seit dem Aufreten von Aids.

Eine Ärztin, selbst schon lange in der Aids-Aufklärung tätig, erzählt, daß sie trotz ihrer langjährigen Erfahrung mit den Grenzen der Präventionsarbeit immer wieder den irrationalen Wunsch verspürt, ihrem mitten in der Pubertät steckenden Sohn um jedweden Preis die Realitäten der Krankheit zu ersparen. Ein anderer Arzt ärgert sich über verfehlte Aufklärungsmaßnahmen, die immerfort vor der „Sünde“ und ihren Folgen warnen, reaktionäre Familien- und Treuevorstellungen als einzig wirksames Gegenmittel propagieren und damit doch nur die Angst schüren. „C'est du Bennetton!“ (Das ist Bennetton), bringt er die Kampagne auf den Punkt.

Freundschaft, das Miteinander sprechen und die menschliche Wärme – darauf läßt sich schon eher vertrauen. Es wird deutlich, wieviel die einzelnen Gesprächspartner über Vergänglichkeit, den Verlust einer geliebten Person, aber auch von dem Kampfeswillen, der Stärke und dem Stolz ihrer Patienten gelernt haben: Immer wieder sich selbst Mut machen, über neue Methoden streiten, über Sex und safer sex nachdenken.

Die Arbeit gegen das Virus ist für die Interviewten zum integralen Bestandteil ihres eigenen Lebens geworden, Stück für Stück, aber unumkehrbar. Gemeinsam ist allen die Hoffnung, einmal in einer ferneren Zukunft doch so etwas wie Heilung zu finden, wohl wissend, das dieser Wunsch eben nicht ausreicht. Und so ist auch der Titel zu verstehen: Wie soll man das Ende einer Geschicht kennen, die keins hat? Gudrun Holz

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