■ Press-Schlag
: Familie Kamski schockt Schachwelt

„Gata wird Weltmeister. Er ist wie eine Maschine. Er ist nicht motiviert, nicht wirklich interessiert an dem, was er tut. Das ist sein großer Vorteil gegenüber anderen Topspielern. Er will nicht wirklich gewinnen.“ Der hier Generationen von Schachpsychologen auf den Müll wirft, heißt Alexander Schabalow, bis zum 2. Februar Trainer von Gata Kamski, jenem wunderlichen Knaben aus Brooklyn. Dann bezog der gebürtige Lette von Vater Kamski Dresche, weil er beim Tauschen von Musik- CDs Geheimnisse ausgeplaudert haben könnte.

Das Kamski-Team war bereits eine Woche vor den anderen Halbfinalisten zu den FIDE-Titelkämpfen ins indische Sanghi Nagar gereist. Schabalow war froh, als sein alter Freund Boris Gelfand, Gegner von Anatoli Karpow, den Nachbarbungalow bezog. Endlich ein wenig Abwechslung. Als er das zweite Mal hinüberging, rastete Rustam Kamski aus. Schabalow buchte umgehend seinen Rückflug. Wie seine Spezialvarianten Gata halfen, den Russen Waleri Salow mit 5,5:1,5 abzufertigen, verfolgte er aus der sicheren Entfernung von Pittsburgh, Pennsylvania. Daß ihm Vater Kamski von den 125.000 Dollar Preisgeld die vereinbarte Siegesprämie überweisen wird, hat er sich abgeschminkt. Nicht einmal das ausstehende Trainerhonorar will Schabalow in nächster Zeit einklagen, aus Angst, „daß Gata von seinem Spiel abgelenkt wird“.

Sympathie für Gata, Furcht und Abscheu vor Rustam – diese Erfahrung teilt Schabalow mit Kollegen und Schachveranstaltern. Besonders der Profischachbund PCA klagt über den besessenen Schachvater. Am 9. März muß Gata in Las Palmas bereits wieder ans Brett, um gegen den Inder Viswanathan Anand auszuspielen, wer es im September in Köln mit PCA-Champion Garri Kasparow aufnehmen darf. Wäre das Match gegen Salow knapper verlaufen, hätte die Matchpause nur elf statt der von den Kamskis geforderten zwanzig Tage gedauert. Auch daß das Preisgeld auf Gran Canaria gerade mal 100.000 Dollar beträgt und damit halb soviel wie allgemein erwartet, hat Rustams Zorn erregt.

Seit Jahren wiederholt er wie eine Gebetsmühle, daß der PCA-Champion seinen Sohn mit allen Mitteln zu stoppen versuche. Das sei auch der Grund gewesen, 1989 in die USA zu emigrieren: Kasparow sei drauf und dran gewesen, Gatas Karriere zu zerstören. Die fixe Idee wurde eine Art „self-fulfilling prophecy“. Bob Rice, ein New Yorker Anwalt, der die Geschäfte der PCA verwaltet, behauptet, die Kamskis hätten seiner Organisation schon mehrere mögliche Sponsoren vergrault. Zumindest was die FIDE betrifft, dürfte die Einschätzung stimmen. Halbfinalsponsor Ravi Sanghi hat nach Vater Kamskis Ausfall gegen Schabalow kein Interesse mehr am Finale. Stefan Löffler