Pausenlos im Widerspruch

■ Keine Muse mehr: Tanya Donelly von der Band Belly über weibliche Rollenmodelle, ihre Neffen, Clubs, Clans und die Mann-Frau-Sache

Die Zeit der Seitenprojekte ist endgültig vorbei. Seit Tanya Donelly, 28, kinderlos, „unverehelicht“, mit ihrer Band Belly und dem Album „Star“ 1992 einen Superhit hatten (zwei Grammy-Nominierungen, Gold in den USA, Silber im UK, vier Videos, auch noch gute Kritiken), spricht sie gelassener über die Stationen ihrer Vergangenheit: Anfangsjahre bei den Throwing Muses, bei denen aber Kristin Hersh im Mittelpunkt stand (und steht), dann Wanderjahre als Gaststar bei Kim Deals (früher Bassistin der Pixies) Band Breeders, schließlich die erste „eigene“ Band namens Belly (Bauch) mit Christopher Gorman, Thomas Gorman und Gail Greenwood. „King“ heißt das neue Album, für das Donelly auf Promotour war.

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taz: Warum „King“, warum nicht „Queen“?

Tanya Donelly: Ich bin keine Feministin. Ich brauche keine so geschlechtsspezifischen Streitfragen. Der Punkt ist, daß es noch immer nichts als Streitfragen sind. Ich respektiere weibliche Rollenmodelle wie Tori Amos, Björk oder P.J. Harvey – weil sie starke Persönlichkeiten und talentierte Musikerinnen sind. Das sind meine Prioritäten. Ich bin eine Frau, die Musik liebt, Gitarre spielt und singt – das muß genügen. Ich bin nicht an „Clubs“, sprich Gruppen, interessiert.

Warum nicht?

Weil du dich dann in einer Massenphilosophie verstecken sollst und kannst. Aber das ist eine ganz komplizierte, schmerzhafte Entscheidung für jeden einzelnen. Die Mann-Frau-Sache ist wiederum Teil des Rassen- oder Speziesproblems und so weiter und so fort. Ich rede jetzt nicht über konkrete Scheiße wie Vergewaltigung, klar? Wir sind jetzt mit der Welt an einem Punkt, wo jeder aufsteht und dem anderen die Stirn bietet. Und das ist erst mal positiv.

„King“ ist sehr viel aggressiver, robuster als das eher liebreizende „Star“. Twangy Gitarren, etwas Post-Grunge, die helle Mädelsstimme und ein bockiges Schlagzeug. Angry Young Woman mit Ende zwanzig?

(lacht) Alle sind zornig! Das ist schon rein körperlich so, von Geburt an. Einige Elemente deiner emotionalen Festlegung sind nun mal Zorn und Ärger.

Aber was macht speziell dich zornig?

Vielleicht Leute, die nicht darüber nachdenken, was eigentlich läuft. Die ohne zu unterscheiden und ohne Würde ins Leben anderer Menschen eindringen. So was macht mich wütend. Mittelmäßige Leute.

Es war zu lesen, daß du es haßt, dich zu offenbaren, aber auch, daß du immer die gleichen Songs schreibst – andere Melodien, andere Texte zwar, aber doch immer die gleichen Songs. Erklär mir mal diesen Widerspruch.

Oh, ich bin pausenlos im Widerspruch mit mir. Da hast du mich definitiv am wunden Punkt erwischt. Mag sein, daß ich meine Natur offenbare, aber nicht die innersten Tempel meiner Persönlichkeit.

Du arbeitest in der Musik nicht deine Liebesgeschichten ab? Siehe „Silverfish“.

Doch, manchmal schon. Aber ich fühle mich überhaupt nicht wohl damit, anhand der Songs als pures emotional-biographisches Selbstporträt interpretiert zu werden. Ich versuche einfach, so ehrlich wie möglich zu sein. Zu meiner Unschlüssigkeit, was das Offenbaren angeht, gehört natürlich etwas Persönliches: meiner Halbschwester Kristin Hersh in ihrem abgrundtiefen Schmerz zusehen zu müssen. – Weißt du, als ich noch bei den Throwing Muses war, traf ich jede Menge Leute, die wirklich eine Art fatalen Familiensinn für Kristin entwickelten, die Melancholie-Kommune. Das hat Kristin unheimlich kaputtgemacht. Ich habe daraus sehr wohl meine Schlüsse gezogen. Ich bin keine unfreundliche oder unmenschliche Person. Aber ich brauche sehr lange, um mich überhaupt mit jemandem wohlzufühlen.

Du mußt dich schützen.

Genau. Das ist der Unterschied zu den Leuten da draußen, die nur die Musik hören. Ich kenne sie nicht. Sie kennen mich nicht. Sie gehen wieder weg.

Bist du es denn nicht müde, immer wieder nach den Throwing Muses oder den Breeders gefragt zu werden?

Nein. Das ist ein Kapitel meines Lebens, das abgeschlossen ist, aber auch immer noch fortwirkt. Ich kann da keine Grenze ziehen. Ich bin von den Muses weggegangen, weil ich da nicht so viele Songs schreiben konnte, wie ich wollte. Aber Kristin Hersh ist ja meine Schwester; ihre zwei kleinen Söhne sind meine süßen Neffen! (lacht) Wir leben in derselben Stadt und sehen uns oft. Und ich achte die Arbeit von Kim Deal, wir sind ständig in Kontakt.

Belly ist ein Kollektivprojekt, sagst du. Die Bassistin Gail Greenwood schreibt auch Songs. Wir haben also Profilierung versus Gemeinsinn vor uns – wie funktioniert's?

Tja, gut. Zum erstenmal fühle ich mich wie in einer wirklichen Band, wo jeder was beiträgt. Keiner reitet auf seinem Ego rum. Die Throwing Muses waren vor allem Kristins Angelegenheit. Das hat mich gelähmt. Ich konnte und wollte die Chemie dort nicht ändern. Die einzige Option war, zu gehen. Ich habe auch nichts mit dem neuen Album der Throwing Muses, „University“, zu schaffen. Es ist ein großartiges Album. Ich selbst mach' jetzt mein Ding. Allerdings beschäftigt mich, was da vom Genre her näher rankommt. Am ehesten höre ich hin, wenn Frauen mitmachen, bei Veruca Salt aus Chicago zum Beispiel. Das mag ich.

Du kannst gut von deiner Musik leben?

Klar. Gott sei Dank. Nicht mal schlecht. Aber ich lebe immer noch in Boston.

Ursprünglich sollte Belly ja das Line-Up für die R.E.M.-Monster- Tour im Sommer dieses Jahres sein. Neuerdings ist P.J. Harvey vorgesehen. Wäre es bei eurem Bekanntheitsgrad nicht kränkend, Vorspeise einer Mega-Berühmtheit zu sein?

Na, das hat sich ja erledigt. Es hätte mir wohl nicht gefallen. Aber Belly hat ja schon solo in Europa getourt. Michael Stipe und ich sind keine engen Freunde, aber wir sind schon gut miteinander bekannt. Interview:

Anke Westphal

Belly: „King“. 4AD/ Rough Trade. – Auch gerade erschienen: Throwing Muses: „University“. 4AD/ Rough Trade.