Der Liebespropagandist

■ „In Haßliebe Lola“ von Lothar Lambert (Panorama)

Vor zehn Jahren war seine Art des unmittelbaren Filmens noch ganz neu; neben dem schrilleren Rosa von Praunheim war Lothar Lambert der Star an der Körperfront. Inzwischen sind viele seiner Filme Klassiker (wie „Fucking City“) einer Stadt, die es längst nicht mehr gibt: West-Berlin. Der Filmemacher Carl Andersen (der in „Lola“ eine Nebenrolle hat) hat ihm zwar schon einen Film gewidmet („Killing Mom“), doch Lambert gibt es immer noch, und eigentlich wird der mittlerweile Ergraute immer lebendiger. Zwischen Underground und Fernsehen ist er immer noch Aufklärer in einem sehr unmittelbaren Sinne.

Auch in „Lola“ (wohl nicht nur zufällig die Initialen des Filmemachers) geht es wieder um die kleinen, großen verwirrenden Wünsche und Enttäuschungen: das Begehren, das Traurigsein darüber, nicht begehrt zu werden, das Glück, sich begehrt zu wissen. Lothar Lambert, der Liebespropagandist, geht diesmal vielleicht sogar weiter als in seinen anderen Filmen – auch wenn der Film für das Fernsehen gemacht worden ist. Als „olle Schrippe“, als abgetakelten Travestie-Star Lola, stellt er sich in den Mittelpunkt eines seltsam anrührenden Melodrams.

Wild und manchmal mit einem verzweifelt existentiellen Wunsch nach Liebe stellt Lola ihren Körper, der da und dort schon ein bißchen Speck angesetzt hat, auf der kleinen Bühne einer Kneipe zur Schau, singt bis sie umfällt und schwankt in ihren Gefühlen ständig zwischen Eitelkeit und der Angst, nicht mehr begehrt zu werden.

So werden ihre Discolieder noch wilder, mögen ihre Fans sich auch rar machen. Immer noch fühlt sie sich als „große Künstlerin“. Nur zu gerne akzeptiert sie die Schmeicheleien Hasims (Baduri), eines hübschen jungen Mannes türkisch- arabischer Herkunft. Doch der will Lola nur für seine eigene Bühnenkarriere benutzen. Außerdem ist er noch nicht mal schwul, sondern mit der schönen intriganten Fatima (Nilfün Taifun) verlobt. Auch wenn Lola und Hasim nicht im Bett landen, entwickelt sich eine Art Freundschaft, die von Lolas Bekannten mißtrauisch beobachtet wird. Seine langjährige Haushälterin Urschel (die Berlinale Photografin Erika Rabau – klasse!) ist eifersüchtig, Erich (Stefan Menche), sein Manager aus Buxtehude, will den „Kanacken“ zunächst nicht dabei haben, wechselt dann aber die Seiten und macht ihn zum Star.

Als Lola erfährt, daß Hasim verlobt ist und ihn plötzlich auch noch im Fernsehen singen sieht, dreht sie durch. Sie zeigt ihn an, weil sie meint, er hätte ihr einen Ring gestohlen. Auf dem Polizeirevier verführt sie einen Polizisten. (auf dem Polizeiklo gelingt ihr einziges Sexabenteuer), Hasim landet unschuldig im Knast. Auch als sich der Ring wieder findet, gibt es kein Happy-End. Dazu sei er selber wirklich zu deprimiert gewesen, sagt Lothar Lambert, der meist zu schüchtern ist, in seine Premieren zu kommen. Sein sehnsüchtig- trauriger, aber auch sehr lustiger Film berührt. Was will man mehr.

Detlef Kuhlbrodt

„In Haßliebe Lola“. R: Lothar Lambert. Mit Lothar Lambert, Baduri, Dagmar Beiersdorf, Nilgün Taifun u.a. Deutschland 1994, 87 Min