: „Zuviel Drögler, zuviel Dealer, zuviel Stoff“
■ Die grüne Zürcher Stadträtin und Sozialamtsleiterin Monika Stocker befürwortet den repressiven Kurs gegen die offene Drogenszene und die Räumung des Bahnhofs Letten
taz: Vor zwei Jahren stimmte Ihre Vorgängerin im Sozialamt, Emilie Lieberherr, der Räumung der Drogenszene am Platzspitz zu – und bereute das später sehr. Mit Repression, sagt sie, sei dem Drogenproblem nicht beizukommen. Warum setzen Sie heute wieder auf Räumung?
Monika Stocker: Die Szene ist uns über den Kopf gewachsen, es herrschte die Gewalt. Die Drogenabhängigen wurden von den Dealern, vor allem den ausländischen, behandelt wie in einem KZ-Betrieb. Gleichzeitig begannen die Verteilungskämpfe zwischen libanesischen, albanischen und afrikanischen Dealern, vier Leute wurden ermordet. Da war klar: Wenn wir jetzt nicht durchgreifen, haben wir das Terrain freigegeben.
Dealer und Süchtige verschwinden ja nicht, sie tauchen nur ab. Ist eine offene Szene nicht leichter zu kontrollieren als eine verdeckte?
Nicht, wenn sie so groß ist. Es waren Tausende, im Sommer, wenn die Drogen-Touristen kamen. Die Bevölkerung war richtig geladen. Wir hatten von allem zuviel: zuviel Drögler, zuviel Dealer, zuviel Stoff.
Die Süchtigen werden nicht weniger ...
Wir führen alle Auswärtigen in ihre Heimatgemeinden.
Auf welcher rechtlichen Grundlage?
Das Schweizer Sozialhilfegesetz besagt, daß die Gemeinde, in der jemand wohnt, für dessen soziale Sicherheit sorgen muß. Zürich kann nicht die Drögler aus der ganzen Schweiz aufnehmen. Die Kantone und Gemeinden müssen sich selber um ihre Süchtigen kümmern lernen. Auch die Dealer müssen sich neu organisieren. Wir brauchen ein landesweites Feinverteilungsnetz statt einem Supermarkt Zürich.
Jedem Dorf seine eigene Drogenszene?
Warum nicht? Das ist eben die Realität, daß unsere Gesellschaft Süchtige hat.
Bei der Platzspitzräumung waren die Abgeschobenen nach zwei Tagen wieder da.
Weil es damals weder Bewußtsein gab noch Hilfsangebote, noch überkantonale Zusammenarbeit. Diesmal wurden vor der Räumung die Hilfsstrukturen ausgebaut: Wir haben zwei weitere Kontakt- und Anlaufstellen mit Fixerstuben errichtet, stark aufgestockt bei den Methadon-Abgabeprojekten und viel investiert in Arbeitsprogramme. Unser Ziel ist nicht ein separates Therapieprogramm, sondern die Integration der Süchtigen in den normalen gesellschaftlichen Alltag. Was ich wirklich ablehne, ist die Ghettoisierung der Drogenabhängigen wie beim Platzspitz oder am Letten.
Im Moment laufen die Süchtigen voller Angst vor Entzug und Polizei durch die Straßen. Sie werden geschlagen, entwürdigt, schikaniert. Polizisten führen in aller Öffentlichkeit Analkontrollen durch.
Die Repression ist nötig, um die Szene aufzulösen. Das geht nicht per Appell.
Die Stadt ruft die Bürger per Appell auf, der Polizei verdächtige Personen zu melden. Erst sollen sie die Süchtigen denunzieren und später akzeptieren?
Sie sollen ja nur anrufen, wenn sie besorgt sind. Außerdem: den Züricher Süchtigen geht es gut, keiner muß auf der Straße konsumieren, wir haben genügend Fixerräume, jetzt auch zwei neue am Stadtrand.
Was passiert mit den Ausländern?
Die Dealer werden natürlich nach Hause geschafft, ganz klar.
Ich meine die ausländischen Süchtigen, die Illegalen.
Wenn wir sie finden, kommen sie ins Polizeigefängnis und werden dann abgeschoben.
Das Problem war doch immer, daß sie keine Papiere hatten, und ohne Papiere keine Abschiebung.
Oh, seit dem neuen Ausländergesetz, das am 1. Februar in Kraft trat, haben die plötzlich Papiere. Sonst könnten wir sie bis zu 15 Monaten in Haft halten. Bei der Alternative gehen sie lieber nach Hause. Interview: Michaela Schießl
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen