: Der Sessel zur Bluse
■ Oft reichen kleine Änderungen, und ältere Menschen können weiter selbständig in ihrer Wohnung leben Von Iris Schneider
„Ist der aber bequem“, seufzt die elegante, weißhaarige Dame und lehnt sich in einem Sessel zurück, der zwar einen Bezug mit ansprechendem Blümchendesign hat, ansonsten aber eher spartanisch wirkt. „Und er paßt genau zu Ihrer Bluse, Frau Michels“, kichert ihre Bekannte. Die beiden Damen sind mit einer Gruppe von rund zwanzig Frauen, alle dezent jenseits der 70, ins Beratungszentrum für Technische Hilfen in Barmbek-Süd gekommen, um sich über „Wohnraumanpassung im Alter“ zu informieren.
„Häufig reichen kleine Umbauten, damit Menschen in ihrer eigenen Wohnung bleiben können, auch wenn ihnen nicht mehr alles so leicht von der Hand geht“, sagt Karin Dieckmann, Leiterin des Beratungszentrums. Weil vielen alten Menschen das Bücken schwerfällt, empfiehlt die Beraterin beispielsweise, den Kühlschrank in der Küche in Augenhöhe aufzustellen. Bei nachlassender Sehkraft sei es besonders wichtig, für eine ausreichende Beleuchtung der Wohnung zu sorgen. Auch kräftige Farbkontraste erleichtern die Orientierung, und sie lassen sich ganz einfach erzielen: Indem man zum Beispiel weiße Teller auf farbige Tischdecken stellt, statt auf ein ebenfalls weißes Tuch.
Anfangs lauschen die Frauen höflich den Erklärungen einer Beraterin, die sie durch die Ausstellung führt. Bei allem Interesse ist es den meisten doch wichtig zu betonen, daß sie auf die vorgestellten Hilfsmittel noch nicht angewiesen sind. „Ich seh' mich für meine Schwester um“, erklärt eine Dame mit rotem Wollhut, und eine andere fügt an: „Man kann ja nie wissen, was kommt, und auf jeden Fall lernt man hier was.“
So siegt die Neugier der Frauen bald über ihre anerzogene Zurückhaltung. Zu zweit und zu dritt durchstreifen sie die Räume und nehmen von elektrisch verstellbaren Bettrahmen über ergonomisch geformte Wasserhähne und Toilettensitze bis hin zu Geh-Hilfen alles unter die Lupe. Interessiert drücken sie Tasten und ziehen an Hebeln. Scheu vor der Technik ist ihnen nicht anzumerken. Die komplizierte elektrische Steuerung für das Pflegebett findet allerdings wenig Gnade vor den kritischen weiblichen Augen: „Das ist doch nix. Wo alte Damen vor jedem Knopf schon Angst haben.“
Auch wenn sie selbst noch keine Hilfe brauchen, das Bewußtsein, daß im Alter vieles Probleme machen kann, was früher selbstverständlich war, ist bei allen vorhanden. Am ehesten merkt es die einzelne bei kleinen Alltäglichkeiten: „Selbst wenn ich mir die Strümpfe nicht mehr anziehen kann, bin ich doch aber sonst noch beweglich“, erklärt eine Frau, die sich beim Gehen auf einen Stock stützen muß. Auch das Aufstehen aus einem tiefen, weichen Sessel kann Schwierigkeiten machen, wenn die Sitzfläche zu niedrig ist und die Armlehnen zu wenig Halt bieten. „Die normalen Sitzgarnituren können Sie alle wegschmeißen“, verkündet Frau Michels kategorisch, „ein Sessel muß hart sein.“ Wer sich keinen Spezial-Sessel leisten kann – immerhin kosten alle Modelle über 1000 Mark –, für den findet sich behelfsweise ein preiswertes Katapult auf der Sitzfläche im Angebot. Jedoch: „Ne, da klapp' ich auf einmal hoch und dann lieg' ich auf der Nase“, bringt eine der agilen Frauen die allgemeine Skepsis auf den Punkt.
Auch sonst sparen die Frauen nicht mit Kritik an den angebotenen Hilfsmitteln. Mit geübtem Hausfrauenblick sehen sie sofort, welche Sachen ihnen neben der Erleichterung im Alltag auch einen erhöhten Putzbedarf einbringen. Die meisten Toilettensitze, die die Sitzhöhe den im Alter weniger flexiblen Knien anpassen sollen, gehören dazu. So sehr sie sich gerade in diesem intimen Bereich darüber freuen, möglichst lange ohne fremde Unterstützung zurecht zu kommen, die vielen Ritzen und Schrauben lehnen sie ab: „Der Hygiene wegen. Das muß doch alles sauber gehalten werden“. Gleiches gilt für Badewannenlifte, die das Ein- und Aussteigen in die Wanne erleichtern: „Da brauch ich ja eine Putzhilfe, um den Lift nach dem Bad wieder zu reinigen.“
Die tägliche Körperpflege läßt sich auch ohne teure Geräte den eigenen Bedürfnissen anpassen. Eine ebenerdige Dusche mit rutschfestem Fußboden und stabilen Haltegriffen können selbst Gehbehinderte und RollstuhlfahrerInnen selbständig benutzen. „Das ist alles gut und schön, aber ich wohn' auf Etage, da kann man sowas doch nicht einbauen“, kommentiert eine der Damen eine rollstuhlgerechte Toilette. Das ist meist auch gar nicht nötig, hält Karin Dieckmann vom Beratungszentrum dagegen. Jede Wohnung kann schon dadurch sicherer werden, daß man Stolperfallen wie hochstehende Teppichkanten oder freiliegende Kabel aus dem Weg räumt.
Informationen, wie die eigenen vier Wände den Anforderungen des Alters angepaßt werden können, gibt es im Beratungszentrum. In ausführlichen Gesprächen klären die BeraterInnen alle individuellen Fragen, auch zur Finanzierung von Hilfsmitteln und Umbauten.
Fazit: Es gibt eine Reihe von Hilfsmitteln, die es alten Menschen ermöglichen, ihren Haushalt weiter zu führen und in ihrer vertrauten Umgebung zu bleiben. Und die Hersteller bemühen sich durchaus um ein ansprechendes Design ihrer Produkte. Das Altenheim im klassischen Sinn soll es durch mehr ambulante Betreuung im Rahmen der Pflegeversicherung langfristig nicht mehr geben. Das kommt dem Wunsch der „neuen Alten“ nach einem selbstbestimmten Leben entgegen, auch wenn die Kräfte nachlassen.
Das Beratungszentrum für Technische Hilfen ist in der Richardstraße 45 (U-Bahn Hamburger Straße), Öffnungszeiten montags und dienstags von 13 bis 18, donnerstags von 9 bis 19 Uhr. Beratung in Rechts- und Finanzierungsfragen nur donnerstags, Termine können unter Telefon 299 95 60 vereinbart werden.
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