Wusch – jodan – klack

■ Junge Leute prügeln eine Stunde lang aufeinander ein, hinterher gehen sie frohgemut auseinander / Aikijo: Stockkampf gegen Angst, Streß und krummen Rücken

Shomen – wusch – jodan – klack – gaesh –klack – jako-jokomen – klack. Besenstiellange Stöcke sausen durch die Luft, suchen einen Kopf, eine Brust, ein Knie, zischen haarscharf vorbei oder werden vom Stock des Gegners gestoppt. Klack. Dazwischen spricht der „Meister“ in einem seltsamen Singsang seine fernöstlichen Befehle.

In einer streng formalisierten Abfolge von Stößen und Hieben prügeln im Herzen des Ostertors junge Leute unverdrossen einen Stunde lang aufeinander ein. Hinterher gehen sie frohgemut auseinander und haben in aller Regel nicht mal einen blauen Fleck. Höchstens einen Muskelkater, der sich gewaschen hat (stöhn/der Autor).

Was hier im Dojo (Übungsraum) von Meister Michael Masch in der Weberstraße passiert, entstammt den Urgründen der zahllosen japanischen Kampfkünste, wie sie heute im Westen mit ungebrochener Begeisterung ausgeübt werden. Die Legende spricht von wandernden Zen-Mönchen, denen jede Waffe verwehrt, ihre Haut aber doch lieb war.

Also übten sie, sich mit ihrem Wanderstab gegen feindliches Gesindel zu verteidigen, und entwickelten die Kunst des Stockkampfs. Und weil die Mönche nicht umsonst lebenslang des Weg des Zen gegangen waren, entwickelte „Aikijo“ (Jo=Stock) ausgesprochen kluge, harmonische, energiesparende, ja bisweilen tänzerische Bewegungsmuster. Schön anzusehen, schön auszuführen.

Vor sechs Jahren eröffnete Michael Masch (35) seine „Aikido – die Bewegungsschule“, in der auch der Stockkampf gelehrt wird. Damals versammelten sich innerhalb der Aikido-Szene (Aikido: Stockampf ohne Stock) zahlreiche Sinnsucher; entsprechend ritualisiert und spirituell fiel auch oft die Praxis aus. Tief neigten sich schwitzende Deutsche – wie es japanische Art ist – vor den Meistern und Meistersmeistern und ihren Fotos. Heute ist da erheblich mehr Pragmatismus eingekehrt.

Masch, mittlerweile hochgradiger Meister (3.Dan des Honbu-Dojos Tokyo) preist seine Schule auch als Rückenschule, Hilfe bei körperlichen Fehlhaltungen, Verspannungen und Streß an. Eine Stätte der Therapie. Und: die Fortsetzung der Sportvereine mit anderen Mitteln. Es gibt inzwischen einen „Aikichor“ sowie mehrere Aikido-Ehen.

Der engere Formenkanon der Stockkampf-Bewegungen („Kata“) ist begrenzt und wird immer wieder geübt. Anfängern geht es wie im Tanzunterricht: Andauernd steht ein Bein im Weg, ist die Hüfte falsch gedreht. Oft stakst der Stock krumm in die Luft und wirkt wie ein Riesenzeiger, der jede unelegante und falsche Bewegung immens vergrößert. Anfäng erkennt man am Holzhacker-Habitus. Die Panik angesichts der niedersausenden Waffe ist ihnen ins Gesicht und in die Haltung geschrieben.

Profis dagegen gehen der drohenden Gefahr lachenden Auges entgegen. Besonders offensichtlich ist das beim Kampf Stock gegen Hand. Der waffenlose Angegriffene („Nage“) klinkt sich offensiv und elegant in den Bewegungsablauf des Angreifers („Uke“) ein, übernimmt die Wucht des Angriffs und leitet sie mit wenig Aufwand so um, daß Uke in hohem Bogen zu Boden geht oder in einem aussichtslosen Armknebel endet. Wie es genau geschieht, sieht man oft gar nicht – aber hinterher hat der Stock immer den Besitzer gewechselt.

Am Ende des Trainings stehen Atemübungen. Die Teilnehmer werden aufgefordert, „durch die Finger zu atmen“. Die befremdliche Übung kommt vom „Quigong“, einer chinesischen Heilmethode. Masch testet dies und das, ist zum Beispiel auch einigermaßen erfolgreich mit Kinderaikido (ab 8 Jahren).

Das bizarrste Aikido in seinem Dojo ist schon fünf Jahre alt: Er trainiert Blinde. Überraschend, wie gut Blinde nach ein wenig Übung den Raum kennen, wie selten sie sich stoßen. Sie profitieren vom Aikido ganz besonders; sie lernen, sich selbstbewußter und angstfreier zu bewegen. (Einer soll sich inzwischen schon einmal am Sielwalleck erfolgreich geprügelt haben!) Nur Stockkampf mit Blinden – das ist Masch denn doch zu gefährlich. Dabei haben sie – wie die alten Zenmönche – gerade den doch immer bei sich ...

Burkhard Straßmann

Kontakt: Tel. 0421/705232