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Eine Amerikanerin in Berlin

Die Zeit und den tip), und außerdem Mentor und Gewissen des modernen deutschen Films. Er war mir ein Freund von ganz besonderer Art, den ich dreimal im Jahr für Zwölftagesperioden sah, bei Filmfestivals und in jedem Dezember in New York, wenn er die Weihnachtsvorführungen der neuen Filme besuchte. Aber in diesen kurzen Perioden schaffte er es, meine Filmkritik ehrlich zu halten. Wolf starb an Lungenkrebs während des Filmfestivals von Venedig, 1994.

Ich begegnete Wolf Anfang der achtziger Jahre, als seine Gefährtin Janine Meerapfel ihren Film „Malou“ nach New York brachte und der Filmvorführer bei der Pressevorstellung die Reihenfolge der Rollen durcheinanderbrachte. Ich liebte den Film trotzdem (ich glaube auch, daß ich ihn verstanden habe) und freundete mich mit der Filmemacherin an. Als Wolf in New York ankam, glaubte ich, er heiße Herr Meerapfel. Minuten später ließ er sich bereits über die ethische Verantwortung der europäischen Nachkriegsfilmemacher aus, sich einer bequemen und entlastenden Distanz zwischen sich und der Nazi-Zeit zu widersetzen und gegen die Machtmißbräuche von Foto: Christian Schulz

heute zu protestieren. Die Schauspielerin/Sängerin/Tänzerin, die uns bediente, hatte so etwas noch nie erlebt.

Bei Filmfestivals in den folgenden Jahren konnte ich mich darauf verlassen, daß Wolf mit mir über politischen Konservatismus und Korrektheit im Kino diskutierte, und über den schwierigen Weg zwischen den beiden. Wir sprachen auch über persönliche Dinge wie die Telefonkosten für Ferngespräche, als Janine in Argentinien filmte und auch mein Freund im Ausland war. Als ich bei der Gedächtnisfeier am Mittwoch Wolfs übergroßes Bild auf der Leinwand sah, dachte ich an Janine und wie sie es ertrug. Wolf hat eine Lücke hinterlassen, die sich nicht schließt.

Ich erlaube mir die Vermutung, daß Wolf Donner Wayne Wangs ruhigen, eleganten Film „Smoke“ (nach Paul Austor) mit der gleichen Ungeduld angesehen hätte wie ich. Wie „Nobody's fool“ hebt „Smoke“ die Pappis in den Vordergrund. Nach ihnen sehnen wir uns immerdar, und ihr Auftritt macht all den quälenden Empfindungen von Entfremdung, Unsicherheit und Minderwertigkeit ein Ende — vermutlich auch dem Hunger und dem Krieg in aller Welt. Pappis besitzen anscheinend einen so magischen Zauber, daß sie in den ersten Lebensjahren ihrer Kinder gar nicht anwesend zu sein brauchen, in den Jahren der Windeln, des untröstlichen Gejammers, des verschütteten Essens und der vollgekotzten Pyjamas. Väter brauchen erst aufzutauchen, wenn die Kinder groß sind, und dann ist alles gut, und wir sind voller Dankbarkeit. Von den drei männlichen Helden in „Smoke“ haben zwei sehr früh ihre Kinder verlassen, der dritte ist nicht der biologische Vater, sondern das Vorbild eines halbwüchsigen Jungen. Der Film wartet ab, bis jeder von ihnen eine noch so kleine Geste väterlicher Verantwortung an den Tag legt, und als sie das dann endlich zustande bringen, ist er höchst zufrieden. Es ist ein sehr schöner Job. Fragt sich nur, wozu die Mammas immer da sein müssen.

Die zweite Gemeinschaftsproduktion von Wayne Wang und Paul Austor, „Blue in the Face“, entwickelte sich aus Improvisationen bei den Proben zu „Smoke“. Einige der Sketche, die sich daraus ergeben, sind hervorragend — Satiren auf das allesverschlingende Chaos des Lebens in Brooklyn und ein Beweis, was gute Schauspieler vermögen, wenn sie sich vom Augenblick vereinnahmen lassen. Andere sind nicht so gut — sie beweisen, was Schauspieler vermögen, wenn sie nur von sich selbst eingenommen sind. Marcia Pally

Aus dem Amerikanischen von Meinhard Büning

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