Scientology-Firmen im Wohnungsmonopoly

■ Neuköllner Baustadtrat und Betroffenenbündnis wollen mit Aufklärungskampagne auf Umwandlung aufmerksam machen

„Mach Geld. Mach mehr Geld. Mach, daß andere Geld machen“ – dieser Leitspruch des Scientology- Gründers Ron Hubbard kommt seit neuestem auch in Neukölln zur Anwendung. Scientology-nahe Firmen, so warnte gestern der Baustadtrat des Bezirks, Bodo Manegold (CDU), seien in das Geschäft mit der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen verwickelt. Grund genug für den Politiker und zahlreiche Initiativen, Alarm zu schlagen. Mit einer Öffentlichkeitskampagne sollen Mieter und Hauseigentümer nun vor den Machenschaften der Umwandlungsfirmen gewarnt werden.

Besonders betroffen sind die Neuköllner Altbauquartiere rund um die Schillerpromenade und östlich des Kottbusser Damms. Mittlerweile seien 13 Häuser im Besitz von Scientology-nahen Firmen, berichtet die Mitarbeiterin der Mieterberatungsgesellschaft ASM, Ursula Dyckhoff. Sowohl die betroffenen Mieter als auch die Mieterberater schilderten gestern übereinstimmend das Vorgehen der Firmen „TCG Immobilien“, „Hamburger Immobilien Consult“, „Prewa“, „MetaReal“, „MegaReal“ oder „Transwert“: Gekauft würden vor allem Häuser von älteren Vorbesitzern oder zerstrittenen Erbengemeinschaften, wobei der größte Teil des Kaufpreises erst nach mehreren Monaten fällig sei. Kurz darauf werde den Mietern ihre Wohnung zum Kauf angeboten. Binnen zwei Monaten sollten sie sich entscheiden, ob sie kaufen oder für ein „Umzugsgeld“ von bis zu 20.000 Mark die Wohnung räumen. Wer in eine größere Wohnung ziehen wolle, werde nicht selten auf die „Wohnungsvermittlungsfirma“ Prowofi verwiesen, bei der man für 1.500 Mark eine nichtssagende Broschüre kaufen könne.

„Die meisten Mieter“, berichtet eine Mieterberaterin, „wissen dabei oft nicht, daß sie weder das eine noch das andere müssen, sondern mehrere Jahre vor Eigenbedarfskündigungen rechtlich geschützt sind.“ Eine Ursache für die ängstlichen Reaktionen der Mieter sei auch das Auftreten der Firmenmitarbeiter: „Die sind ungeheuer sympathisch und nett“, erzählt eine Mieterin, „man merkt kaum, wie sie einen über die anderen Mieter aushorchen und auch über einen selbst bereits gut Bescheid wissen.“

Entschließt sich ein Mieter für den Kauf, hat er dabei nicht nur mit späteren Modernisierungskosten für die meist maroden Gebäude zu rechnen, sondern auch den Kaufpreis innerhalb von vier bis sechs Wochen zu entrichten. Für die Umwandlungsfirmen ein gefundenes Fressen. Sie finanzieren, so die Betroffenen, den Hauskauf zumeist mit dem Geld der Mieter. „In der Allerstraße“, rechnet eine Mieterin vor, „hat der Eigentümer das Haus für 1,3 Millionen Mark gekauft. Auf vier Millionen Mark kommt die Firma jedoch, wenn alle Wohnungen verkauft sind.“

Die Umwandlungspraktiken in Neukölln sind jedoch nicht neu in Berlin. Auch in Kreuzberg hat sich die Scientology-nahe Firma „GGB“ nach Angaben des Berliner Mietervereins bereits sieben Häuser unter den Nagel gerissen. Und auch in den Bezirken Moabit, Schöneberg und Wedding sind die Sektenspekulanten unterwegs. Das Geschäft mit den Eigentumswohnungen jedenfalls blüht. Seitdem 1993 bundesweit die Voraussetzungen für die Erteilung sogenannter „Abgeschlossenheitsbescheinigungen“ höchstrichterlich vereinfacht wurden, häufen sich in den zuständigen Bezirksämtern die Anträge auf Umwandlungen.

Allein in der Schillerpromenade, berichtet die dortige Betroffenenvertretung, sei bereits jedes fünfte Haus umgewandelt oder der Eigentümer mit der begehrten Bescheinigung versehen worden. Doch in den Bezirken ist man nicht nur wegen der Spekulanten, sondern auch wegen des Bausenators verärgert. Wolfgang Nagel (SPD) hatte die Bezirksämter erst kürzlich wegen datenschutzrechtlicher Bedenken angewiesen, vor der Benachrichtigung der Mieter über eine bevorstehende Umwandlung die Zustimmung des Grundstückseigentümers einzuholen. Eine Weisung, der man sich jedoch in Neukölln verweigert.

Das Bündnis gegen die Umwandler aus dem Sektenmilieu setzt vor allem auf die Öffentlichkeit. Solange man rechtlich kaum Möglichkeiten habe, hieß es gestern auf einer Pressekonferenz im Rathaus Neukölln, müsse man die Mieter und auch die verkaufsbereiten Eigentümer vor solchen Praktiken warnen. Die Zeit jedenfalls drängt. In Hamburg haben dieselben Firmen, die nun auch in Neukölln auftreten, nach Angaben des dortigen Mietervereins bereits über die Hälfte des lukrativen Geschäfts mit der Umwandlung unter ihrer Kontrolle. Uwe Rada