Lauter Sex und Ammunex

■ Unterwegs im McTrain, der wahren Alternative zu Mitropa

„Ist jemand da fürn Ammunex?“ Wer bisher nicht wach war, ist es jetzt. Die Stimme der afrikanischen Bedienung, auf deren Haar ein blaues Käppi balanciert, könnte Steine schneiden. Ein Einzelreisender springt auf und stürzt zur Theke. Ach so: Ham and eggs!

In Wirklichkeit sind wir alle schon lange wach. Hellwach. Im IC von Bremen nach Weißderhenkerwo um 5.45 Uhr ist nämlich der Bär los. Denn da gibt es McTrain, ein McDonald's auf Schienen. 1993 als Testspeisewagen gestartet, soll er bis zum Oktober diesen Jahres zeigen, ob ein privater Catering im Zug seine Schnitte machen kann. McTrain ist jung und schön, darum dröhnt hier aus den Boxen von 5.45 Uhr an „I'm your venus“. Um 6.05 Uhr zum Beispiel James Browns „Sex machine“.

Es gibt Menschen, die zieht so was an, die Möglichkeit, um 5.45 Uhr im Zug McNuggets zu essen. Und dann der Sound. Aus der geschundenen Behaglichkeit der Mitropa-Anlagen ist hier ein Disco-Zug geworden, und prompt drängeln sich im McTrain Jugendliche, die sonst eher unter sich bleiben: Kurzhaarfrisierte mit Jeans und heftig profilierten Schuhen. Ein Leistungskurs Kunst auf dem Weg ins Kölner Wallraf-Richartz- Museum womöglich. Solch Jungvolk zieht weiteres an, zumal der McTrain schon im Wagenstandanzeiger ausgewiesen ist.

„Don't have to be rich to be my baby“, dröhnt es über den Friteusen. Immerhin kosten zwei Croissants mit Kaffee 5,50 Mark, was nicht viel ist. Eine Ballettänzerin mit Fesselstulpen blättert irritiert in ihrem Timer. Im Rhythmus stampfend, trägt ein McIndonesier einen Berg Verpackungsmüll vorbei. An den Wänden fällt das Korkimitat auf; die Tischplatten bestehen aus Kunststeinimitat. Um 6.35 Uhr holt sich ein Kunstschüler ein Würstchen mit Senf. Zerhackt es wild. Rohes Gelächter. Drei Handlungsreisende mit WSV-Jacketts tragen erwähnte „Ammunex“ an ihren Tisch, legen die Jacketts ab und sind dann doch eher charismatische Christen (Weste, Krawatte und die notorische Problemhaut).

Eine Kassettenlänge später, draußen graut der Tag, verwöhnt uns McDiscjockey wieder mit „Sex machine“. Ein älterer Barpianist (Barpianistenfinger, Goldlamé- Barpianistenweste) stürzt seinen Kaffee runter und verschwindet (2. Klasse). Doch niemand kommt ungeschoren an der „Recycling-Station“ vorbei. Hier erweist sich, daß McDonald's in Wahrheit grün ist und ob wir Chemie können. Test: Ordnen Sie die Wertstoffe volles Kondensmilchdöschen, Hartplastiktablett mit Papierauflage, Hartpappenkaffeetasse halbvoll, Butterstanniol folgenden Wertstoffbehältern zu: Kunststoff, Papier, Glas, Reststoff. Übers Grübeln hat schon so mancher Münster verpaßt, was übrigens nicht so schlimm ist. Burkhard Straßmann