Das Barock als Diät-Kost

■ „Der seltzame Springinsfeld“ des TAB: pädagogisch Wertvolles zum 30jährigen Krieg/ Premiere im Jungen Theater

„Durch Fasten, Beten, Singen und Beschwören von sieben Predigern wurde eine Anna Schwerdtfeger in der Unsere Liebe Frauenkirche am 22. April 1630, nachmittags 4 Uhr, aus der Gewalt des Satans befreit und zur völligen Genesung gebracht.“ Ach, was wäre uns erspart geblieben, hätten die zwei Gaukler vom TAB doch auch an den Exorzitien der Fasten-Kur aus dem Dreißigjährigen Krieg teilgenommen, wie sie in der Chronik der Stadt Bremen geschildert wird. Vielleicht hätte es genützt! Genesung wären ihnen beschieden gewesen, eine gänzliche Austreibung des Satans gar. Schauspieler Peter Kaempfe und Regisseur Rolf Parchwitz hätten ihren Frieden auf Erden gefunden und die neueste Produktion der Kompanie mit dem raumgreifenden Namen „Theater aus Bremen“ wäre gar nicht erst über die Bühne gegangen.

Doch der Kunstwille ist einer der hartnäckigsten. Einen ganzen Abend lang müht sich Peter Kaempfe allein auf der Bühne, verfehlt in der Wahl seiner Mittel; so schafft er es auch nicht, die Figur des „Seltzamen Springinsfeld“ von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen zum Leben zu erwecken. Allem Anschein nach in der Regie von Rolf Parchwitz ein überaus mühseliges Geschäft.

Dabei ist das Leben des „seltzsamen Springinsfeld“, der als der kleine Bruder des „Simplicissimus“ durchgehen könnte, alles andere als eintönig. Grimmelshausen läßt ihn als Söldner durch die kriegszerstörten Lande ziehen, die unvorstellbaren Grausamkeiten des endlosen Krieges erleben, und zum Ausgleich die Bekanntschaft der raffinierten und unwiderstehlichen Courage machen.

Deftiger Stoff, aus dem sonst Theaterträume sind. Leider nicht beim TAB. Statt die dramatischen Ereignisse aus dem Leben des Springinsfeld in bühnenwirksame Spielszenen umzusetzten und ein Spektakel zu schaffen, wird der Stoff hier auf die theatralische Sparvariante einer One-Man-Show eingedampft. Das sieht man in Bremen nicht zum ersten Mal. Bei Hille Darjes überzeugt der Virgina Woolf-Abend noch durch logische Konsequenz. Aber schon die letzten Abende in der Shakespeare-Company lassen den einsamen Schauspieler als Mangelbesetzung bedauern. Die Bewährungsprobe, der Peter Kaempfe im Fronteinsatz als Alleinunterhalter ausgesetzt ist, stellt eine Herausforderung dar, für die man scharfe künstlerische Waffen braucht.

Zwar fließt der Schweiß in Strömen und es wird viel mit dem langen Degen herumgefuchtelt, doch das ach so barocke Leben im Dreißigjährigen Krieg, wird uns kaum sinnlich dargebracht.

Stattdessen Pädagogisches: Da wird mal wieder das Publikum zum Mitspielen aufgefordert. Kleine dilettantische Gauklertricks sollen die Distanz zwischen Zuschauern und Bühnengeschehen wegdemokratisieren. In regelmäßigen Abständen muß man fürchten, daß die Bühnenfigur absichtsvoll aus der Rolle fällt, um wie ein Animateur im Jugendzentrum antiautoritäre Verbindlichkeit zu schaffen.

Vor gerade 20 Jahren noch als taufrische Methoden des Volkstheaters geschätzt, wirkt das schauspielerische Repertoire des TAB heute wie aus der theatralischen Mottenkiste, geadelt allein durch das begeisterungsresitente Prädikat: pädagogisch besonders wertvoll. Lehrertheater: von Lehrern, für Lehrer, deren Kinder und den Rest der Schulklasse.

Susanne Raubold

Heute und morgen im Jungen Theater, 20.30 Uhr, dann im Zentralkrankenhaus Ost 25.2., 20 Uhr.