Bremens Stern ist abgestürzt

■ Kleinsatellit Brem-Sat planmäßigverglüht / Uni bald Euro-Space-Zentrum?

„Klein wie ein Säugling, klug wie Einstein“ – das „Weltraum-Wunderkind“ Brem-Sat hat sich vor einer Woche in etwa über französisch Guayana pünktlich in seine 10.000 Einzelteile aufgelöst. Damit hat das Mini-Kraftpaket (63 Kilogramm) seine einjährige Mission im All mit Bravour beendet: Stolz die Eltern – das Brem-Sat-Team vom Raumfahrtzentrum ZARM an der Bremer Uni. Zufrieden auch Bonn. ZARM hofft nun auf grünes Licht für Brem-Sat-2 und Geo-Sat.

Bis in einem halben Jahr soll entschieden sein, ob diese beiden Nachfolgeprojekte von der Regierung finanziert werden, bekundete gestern Klaus Berge von der deutschen Raumfahrtagentur. Bremen habe mit Brem-Sat-1 eine Trendwende eingeleitet: Hin zur preiswerten (hier: 10 Mio. Mark), kleinen Mikrosystemtechnik. „Kleinsatelliten kommen in Mode“, sagte Berge. „Wir schaffen es noch bis zur Kaffekannengröße.“

Bonn wisse vor allem zu schätzen, daß man sich an der Bremer Uni mit „hanseatischer Zielstrebigkeit“ in das Projekt Brem-Sat gestürzt habe. Mit der Ansiedlung von Raumfahrtforschung an Hochschulen läge Deutschland weltweit vorne. Hapern würde es dagegen an exportreifen Produkten. Doch ZARM habe auch gezeigt, daß die Zusammenarbeit mit der Industrie im Kleinen schon funktionieren kann: Der blauschimmernde Brem-Sat mit den Solarzellen auf der Haut ist von der Bremer Mittelstandsfirma OHB-System gebaut worden. Auch dies wertet man in Bonn als wegweisenden Impuls.

Eitel Freude also über den Erfolg der drei Jahre Konzeption und Brem-Sats einjährige betreute Reise. Brem-Sat ist nicht nur exakt getimed verglüht, sondern hat zuvor auch 300 Kilometer über der Erde Staubpartikel gemessen und die Wärmeleitfähigkeit von Flüssigkeiten getestet. Rund 5.000 Erdumkreisungen hat er dabei geschafft, 20 Mio. Zahlenwerte zur Erde gesandt – 1.173 Mal hat ihn das Team von ZARM dabei „erwischt“. „Wir hatten ihn gut im Griff“, folgert Hans Königsmann, einer der Projektleiter. „Auch wenn wir oft nicht verstanden, was da oben passiert.“ Geradezu mysteriös war etwa das Verschwinden des Satelliten im April 94. Nach einer Woche war Brem-Sat aber wieder da, „zerzaust wie ein Kater“. Inzwischen ist klar, daß Brem-Sat in einen geomagnetischen Sturm, geraten ist und nur wegen seiner guten Konsistenz ohne größere Schäden da raus kam.

Unten mußte man indes herausfinden, wann und wo mit Brem-Sat gute Kontakte zu machen sind. Gut plaziert waren da die ausgeschwärmten Mitarbeiter in Tokio, Iowa und an der Südspitze Argentiniens, die mit mobilen Bodenstationen („Antennenkoffern“) des Satelliten Signale einfingen. In Iowa war das der örtlichen Presse zum Beispiel einen Aufmacher wert. In Bremen hingegen konnten Brem-Sats Überflüge erst nach dem Bau eines „Anti-Radio-Bremen-Filters“ überhaupt wahrgenommen werden.

Reichlich Know-how, Promotionen und Diplomarbeiten haben sich mit Brem-Sat an der Bremer Uni und den kooperierenden Instituten in Braunschweig und München angesammelt. Bis Juni sollen nun Brem-Sats Zahlen ausgewertet sein. Das Projekt Brem-Sat-2 möchte darauf aufbauen und versuchen, einen Satelliten näher an die Erde heranzubringen, ohne daß er dabei außer Kontrolle gerät. Geo-Sat hingegen könnte der erste Schritt in Richtung „Aktion sauberer Weltraum“ werden. Er soll im All frei herumschwirrende Trümmerteilchen aus der Raumfahrt orten. Silvia Plahl