Rotes Kreuz steht hinter Nazi-Staatsanwalt

■ Neue Dokumente belasten den DRK—Präsidenten Schlegelberger / Der heute 81jährige hat während der NS-Zeit an Todesurteilen mitgewirkt / Präsidium berät

Das Deutsche Rote Kreuz hält am Berliner Verbandspräsidenten, Hartwig Schlegelberger, fest. Auf Bundes- und Landesebene wurde der heute 81jährige in Schutz genommen, nachdem der Spiegel mit bislang unveröffentlichten Dokumenten eine Beteiligung des DRK-Chefs an der Nazi-Gerichtsbarkeit nachgewiesen hatte. Schlegelberger hat im „Dritten Reich“ als Staatsanwalt bei der Verurteilung von Wehrmachtssoldaten zum Tode mitgewirkt.

„Man muß auch sehen: Herr Schlegelberger hat sich 50 Jahre lang bewährt“, argumentierte gestern die Sprecherin des DRK-Präsidiums in Bonn, Maren Köster- Hatzendorf. Er habe intern nie etwas verheimlicht, und die Vorwürfe seien hinreichend untersucht worden.

Etwas anders sieht das der Ex- DRK-Kreisvorsitzende aus Wilmersdorf, Siegfried Zimmer. „Ich schäme mich für jede Stunde, die ich im DRK unter einem Präsidenten Dr. Hartwig Schlegelberger tätig war“, heißt es in seiner Austrittserklärung, die bereits Mitte Januar beim Berliner Landesverband einging.

Der Streit um die Vergangenheit schwelt schon seit Jahren. Als Marinestabsrichter und Staatsanwalt soll Schlegelberger bei der Verurteilung von Soldaten mitgewirkt haben, denen „Fahnenflucht“ oder „Wehrkraftzersetzung“ vorgeworfen wurde. Zwei Hinrichtungen soll er nach Angaben des Hamburger Nachrichtenmagazins selbst geleitet haben. Schlegelberger selbst rechtfertigte sich gegenüber dem Tagesspiegel mit der Bemerkung, er sei als Notar zu den Hinrichtungen abkommandiert worden, „weil es meistens den Jüngsten traf“.

Schlegelberger trat nach dem Krieg beim DRK ein. Als CDU- Politiker und Minister in Schleswig-Holstein machte der Jurist schnell Karriere. Von 1979 bis 1991 war er Bundesvize des DRK. Seit Sommer 1991 ist er Präsident des Berliner Landesverbandes.

Auch der Betriebsrat des Berliner Roten Kreuzes nahm zu den Vorwürfen Stellung. Bereits letzten März, kurz vor den Berliner DRK-Präsidentschaftswahlen, war in einem Brief an die Mitglieder des Landesvorstandes auf die Vergangenheit des DRK-Mannes hingewiesen worden. Die Wiederwahl Schlegelbergers wurde dadurch nicht verhindert. Mit einer Rücktrittsforderung tut sich die stellvertretende Vorsitzende des Betriebsrates, Heidemarie Steinkraus, schwer. Möglicherweise werde auf der heutigen Betriebsratssitzung erneut über Schlegelberger diskutiert.

Auch das DRK-Landespräsidium will sich am Mittwoch erneut mit den Vorwürfen gegen Schlegelberger befassen. „Wenn sich keine neuen Erkenntnisse ergeben, bleibt alles beim alten“, erklärt eine Sprecherin des Berliner DRK. Schlegelberger selbst befand sich gestern in den alten Bundesländern und konnte zu den Vorwürfen nicht Stellung nehmen. Gegenüber dem Tagespiegel stellte er sich auf den Standpunkt, sein Handeln habe dem damaligen Rechtszustand entsprochen. Christoph Dowe