Mazedonien: Gewaltsames Ende einer Universität

■ Privat-Uni der albanischen Minderheit geschlossen / Tirana und Skopje streiten

Wien (taz) – Blutige Unruhen und der Tod eines albanischen Studenten sind der traurige Höhepunkt eines seit Wochen eskalierenden Streits zwischen Albanien und Mazedonien. Zu den jüngsten Ausschreitungen war es am Wochenende gekommen, nachdem die mazedonischen Behörden am Freitag gewaltsam eine albanische Privat-Universität in der mehrheitlich von Albanern bewohnten Kreisstadt Tetovo schlossen. Nach Augenzeugenberichten sollen bei dem Einsatz paramilitärische Polizeieinheiten mit äußerster Gewalt vorgegangen sein. Mehrmals hätten die Polizisten über die Köpfe der Menschen hinweggeschossen, um die Demonstration so aufzulösen. Durch einen Querschläger kam dabei der 33jährige Albaner Emini Abduselam ums Leben.

Nach albanischen Presseberichten sperrten mazedonische Armee-Einheiten zeitgleich die Ortschaften Recice und Poroje von der Außenwelt ab, um angebliche „illegale Waffenlager“ aufzustöbern und „militante Untergrundkämpfer“ festzunehmen. Der staatliche Rundfunk von Skopje meldete bisher dagegen lediglich, daß etwa zwanzig gewalttätige Albaner in den vergangenen drei Tagen festgenommen worden seien und ein Demonstrant seinen Verletzungen erlegen sei.

In einer kurzen Erklärung rechtfertigte Mazedoniens Staatspräsident Kiro Gligorov am Sonntag abend das Vorgehen seiner Sicherheitsorgane. Er habe sie gerufen, um in der Region Tetovo „Ruhe und Ordnung“ wieder herzustellen und „dem militanten Separatismus“ einiger radikaler Albanerkreise den Kampf anzusagen. Nach offizieller mazedonischer Lesart ist nämlich der Versuch, in Tetovo eine albanische Universität zu errichten, der erste Schritt, diesen Teil der jungen Republik langfristig dem albanischen Mutterland einzuverleiben.

In Skopje kursiert eine Verschwörungstheorie gegenüber den Albanern: Da die etwa zwei Millionen albanischen Landsleute in der politisch gleichgeschalteten serbischen Provinz Kosovo harten Alltagsrepressionen ausgesetzt seien und die Gefahr eines blutigen Konfliktes – ähnlich wie in Bosnien – immer wahrscheinlicher werde, versuchten radikale Albanerkreise auch auf mazedonischem Territorium den ungelösten nationalen Konflikt offen zum Ausbruch kommen zu lassen. Ihr Kalkül sei dabei, schreibt das regierungsnahe Blatt Nova Makedonia, Skopje in einen Krieg um den Kosovo-Konflikt hineinzuziehen. Es sei vor allem die Regierung im albanischen Mutterland, die den Konflikt in Mazedonien schüren möchte, um als alleinige Schutzmacht aller Albaner auftreten zu können. So plane Albaniens Präsident Sali Berisha von Tirana aus die Destabilisierung der Region, um auf kriegerischem Wege ein Großalbanien errichten zu können. Denn sollte es im Kosovo relativ ruhig bleiben und sich die Situation der albanischen Minderheit in Mazedonien schrittweise normalisieren, so argumentiert Nova Makedonia, dann sei auch der Traum eines albanischen Großreiches nicht mehr zu verwirklichen.

Diese Meinung vertritt jedoch auch die mazedonische Opposition. In der kritischen Wochenzeitschrift Puls warnen selbst bürgerliche Kommentatoren vor der „Strategie, ein zweites Bosnien zu provozieren“. Die Frage um eine eigene Universität diene nur als Alibi, „um die albanische Frage zu internationalisieren“. Da die Welt nichts Anrüchiges in einer Hochschulgründung sehe, werde für dieses Projekt internationale Unterstützung nicht ausbleiben und könne man die Mazedonier immer als die Bösen hinstellen, die den Albanern keine kulturelle Freiheit gewähren wollten.

Wie kaum anders zu erwarten, hält sich das offizielle Tirana mit Haßtiraden gegen die Regierung in Skopje ebenfalls nicht zurück. Dort kolportieren die regimetreuen Medien die Verschwörungsthese von einem „serbisch- mazedonischen“ Zusammenspiel gegen alle Nichtslawen. Die Zeitung Republika kommentiert: „Alle unsere Nachbarn hassen uns Albaner.“ Karl Gersuny