PLO berät über Friedensprozeß

■ Arafat beruft den Exekutivrat zu einer dringenden Sitzung in Kairo ein / Palästinensische Opposition soll ausgebootet werden / Die Stimmen für eine Überprüfung des Friedensprozesses mehren sich

Tel Aviv (taz) – Angesichts der Krise bei den Autonomiegesprächen mit Israel will PLO-Chef Jassir Arafat seine Position in den eignenen Reihen stärken und auf einem Dringlichkeitstreffen des Exekutivkomitees der Palästinensischen Befreiungsorganisation die aktuelle Lage erörtern. Das Treffen soll bereits heute oder morgen in der ägyptischen Hauptstadt Kairo stattfinden.

Der Schritt Arafats dürfte eine Reaktion auf einen Aufruf des Generalsekretärs des Exekutivkomitees, Gamal al Surani, sein. Der Rechtsanwalt, der zu den sogenannten „Unabhängigen“ in der PLO-Spitze gehört, hatte eine „entscheidende“ Sitzung des Gremiums nach dem Ende des Fastenmonats Ramadan Anfang März gefordert. Anläßlich der „Abweichungen vom Madrider und Osloer Prozeß“ und der israelischen Blockade forderte Surani eine Überprüfung des gesamten Friedensprozesses. Außerdem müsse ein neues politisches Programm ausgearbeitet werden, das zu einem völligen Rückzug der israelischen Soldaten aus den besetzten Gebieten, der Auflösung der Siedlungen und der Schaffung eines palästinensischen Staates mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt führen soll.

Mit seinem Beschluß, die PLO- Exekutive jetzt sofort einzuberufen, will Arafat offenbar den verschiedenen Oppositionskräften in dem 18köpfigen Gremium zuvorkommen. Die Oppositionellen wollen zwar ebenfalls rasch neue politische Entscheidungen herbeiführen, brauchen aber noch Zeit für die Vorbereitung einer möglichst einheitlichen Initiative.

Sechzig Mitglieder des Palästinensischen Nationalrats (eine Art Parlament der PLO) haben dieser Tage einen eigenen Aufruf gegen die Fortführung des Friedensprozesses erlassen. Gleichzeitig kritisieren die Nationalratsmitglieder Arafats intensivere Unterdrückungsmaßnahmen gegen Oppositionelle in Gaza und Jericho.

Abgesehen von den scharfen Meinungsverschiedenheiten mit der islamistischen Opposition wie Hamas und Dschihad, die nicht in der PLO vertreten ist, haben sich die kaum weniger ernsten Differenzen zwischen den einzelnen politischen Gruppen innerhalb der PLO in den letzten Monaten weiter zugespitzt. Dies vor allem, seit deutlich geworden ist, daß Israel die vertragsmäßig festgelegte Fortsetzung des Osloer Prozesses über die erste Gaza-Jericho-Phase hinaus blockiert. So setzt sich Arafat mit seiner ganz von Israels Gnaden abhängigen Politik immer bitterer Kritik innerhalb des zersplitterten palästinensischen Lagers aus und sieht seine Position als Autonomie-Chef gefährdet.

Nach Ansicht offizieller israelischer Kreise soll Arafats voreilige, „präventive“ Einberufung des PLO-Exekutivkomitees verhindern, daß der Opposition die nötige Zeit bleibt, um sich zu „sammeln“, ein alternatives Programm auszuarbeiten und den gemeinsamen Widerstand gegen Arafats Führung zu organisieren. In Jerusalemer Regierungskreisen wird weiter behauptet, daß Arafat die Sitzung auch dafür nutzen will, um den Druck auf Ministerpräsident Jitzhak Rabin zu verstärken und gleichzeitig seine Position als PLO- Chef zu festigen. Beunruhigt ist man über die Tatsache, daß die PLO jetzt öfter und nachdrücklicher gegen die Fortsetzung der israelischen Siedlungspolitik protestiert. Amos Wollin