Bücken – und Panik bricht aus

■ Jahre nach dem Verbrechen leiden Opfer noch unter dem Trauma – Bremer Opferberatungsstelle würde gern mehr Opfern wieder auf die Beine helfen

Opfer einer Straftat erleben bei TherapeutInnen manchmal ihr blaues Wunder: „Ich hab' dem von meiner Angst erzählt, und dann hat er in meiner Kindheit rumgewühlt und gesagt, daß ich damals große Angst hatte, meine Mutter zu verlieren.“ Über solche Erfahrungen von Opfern kann Danielle Hermans, Leiterin der bob., der Beratung für Opfer und Zeugen im Land Bremen e.V., nur den Kopf schütteln. TherapeutInnen hätten meist keinerlei Ahnung von der Viktimologie, der Opferforschung.

ÄrztInnen genausowenig: Wieso sonst mußte eine Rückenschmerz-geplagte jahrelang Massagen und Krankengymnastik über sich ergehen lassen, bevor sie, endlich bei der bob. gelandet, erfuhr, daß ihre Rückenschmerzen sämtlichst eine Erinnerung sind an jenen Abend vor acht Jahren, an dem sie niedergestochen wurde. Seitdem nämlich bricht sie in Panik aus, wenn sie sich auch nur bückt. Ihr Rücken, ein einziges angstbesetztes Feld, nicht mehr integriert in den Körper. „Zur Verarbeitung dieses Traumas helfen neben Geprächen nur ganz bestimmte, durchaus auch einfache Körperübungen“, sagt Danielle Hermans, Übungen, durch die der Rücken wieder positiv erlebt werden kann.

Gern würde die Bremer Opferberatungsstelle ÄrztInnen und TherapeutInnen informieren – allein, es fehlt an Personal. Im vergangenen Jahr betreute Danielle Hermans, teilweise mit nur einer Mitarbeiterin, insgesamt 400 Opfer. Dieses Jahr sind es vier Stellen, aber alle ungesichert, weil über ABM oder Lohnkostenzuschüsse finanziert. Jedes Jahr also müssen neue MitarbeiterInnen angelernt werden.

Kein Vergleich zur Situation in den Niederlanden: Dort werden vom Staat 70 Opferberatungsstellen unterstützt, hierzulande nur 15. Da konnte die Juristin Danielle Hermans, die in den Niederlanden zur Opferberaterin ausgebildet wurde, gestern während der Rede des Justizsenators Henning Scherf zum „7.Europäischen Opfertag“ auch nur die Augen rollen. Scherf versprach nämlich wie schon die Jahre zuvor, „dafür zu sorgen, so gut wir können“, daß diese „so wichtige“ Arbeit erhalten bleibt. Das Justizressort zahlt genau 12.000 Mark Mietzuschuß und das Gehalt der Juristin.

Spenden, von denen die Opferhilfeorganisation „Weißer Ring“ zum Beispiel sehr gut leben kann, bekommt die bob. nur in Kleckerbeträgen. Allerdings will die bob. auch nicht so werben wie der Weiße Ring: Der schalte voyeuristische Anzeigen, in denen ausführlich das Verbrechen und die Qualen des Opfers geschildert werden, erzählt Danielle Hermans. Die bob. mag nicht mit der Verteufelung von TäterInnen werben. Hier arbeitet man schießlich auch mit Tätern: zum Beispiel im Täter-Opfer-Ausgleich oder den zahllosen außergerichtlichen Schlichtungsgesprächen, außerdem professionell und nicht ehrenamtlich. Besonders bitter für die bob.: Der Weiße Ring erhalte außerdem wesentlich mehr Bußgelder von den Bremer RichterInnen zugesprochen. Die bob. bekam im vergangenen Jahr gerade mal 1.700 Mark an Bußgeldern.

Es gibt jedoch auch Erfreuliches zu berichten: Im Frühjahr wird aller Wahrscheinlichkeit nach das Zeugenberatungszimmer im Bremer Amtsgericht wieder geöffnet – vor einem Jahr war es wegen Personalmangel geschlossen worden. Bedarf ist genug da: Im letzten Quartal '92 beispielsweise (jüngere Zahlen gibt es nicht) wurden 163 ZeugInnen beraten und begleitet – zum Beispiel am Angeklagten vorbei in den Gerichtssaal. Durchschnittlich sind fünf bis sechs Stunden pro Klient/in notwendig. cis

Beratung für Opfer und Zeugen im Land Bremen e.v.: Am Dobben 14, Tel. 320590. Konto: Sparkasse: Nr. 1018126, BLZ 290 501 01